Mülheim. .

Wissen Sie, welche Könige und Krieger einst die Ruhr in Mülheim überquerten? Sie könnten die Lösung im Internet erklicken. Oder selbst aktiv werden und es herausfinden: auf einem Stadtrundgang. Trotz Informationsflut aus dem Netz geht der Trend zur Tour, immer mehr Mülheimer entdecken ihre Stadt auf Rundgängen. Ob zu Fuß oder mit dem Bus – Sight Seeing im Heimatort ist beliebt wie noch nie.

Monika Fleischmann organisiert zweimal im Jahr eine Fahrt für die Frauengruppe des Kolpingwerks Mülheim. Meistens geht die Reise zu Sehenswürdigkeiten in der Region. „Das letzte Mal waren wir im Textilmuseum in Krefeld“, sagt Monika Fleischmann. Dieses Mal geht es für die Frauen aber durch ihre Heimatstadt. Sie haben den Rundgang „Stolpersteine“ beim Mülheimer Stadtmarketing gebucht. Gästeführerin Anne Kebben läuft mit den Damen durch die Innenstadt und erklärt die Stadtgeschichte zur Zeit des Nationalsozialismus. Die Stolpersteine hat der Künstler Gunter Demnig vor den ehemaligen Wohnstätten jüdischer Mülheimer verlegt.

Was in Mülheim während der Nazi-Zeit geschah

Auf dem Synagogenplatz startet die Tour. Vor dem Medienhaus sind alle Augen auf Anne Kebben gerichtet, die erzählt, wann die Alte Post gebaut wurde und wie die Synagoge einmal ausgesehen hat. Auch Kläre Breitgens hört gespannt zu. Sie wurde 1937 in Mülheim geboren und wuchs in Holthausen auf. Darüber, was in Mülheim während der Nazi-Zeit geschah, weiß sie kaum etwas. „Darüber wurde nicht viel gesprochen.“ Daher nimmt sie am Rundgang teil – „um was aus der Stadtgeschichte zu entdecken.“ Weiter schlendert die Gruppe Richtung Bahnstraße, eine der Damen - seit 48 Jahren Saarnerin - verrät: „Um unsere Stadt besser kennen zu lernen, sind mein Mann und ich jede Woche in einem anderen Stadtteil spazieren gegangen.“ Nicht jeder findet Zeit im Alltag, seine Heimatstadt zu erkunden.

„Es ist schon kurios“, sagt Monika Fleischmann, „in München kennt man sich besser aus als in Mülheim.“ Und meint: „Im Alltag hat man meist wenig Zeit, die Orte vor der eigenen Haustür genau anzuschauen.“ Daher möchte sie demnächst mehr Rundgänge in der Heimatstadt buchen. Zudem haben die Frauen einen viel stärkeren Bezug zu den Themenrundgängen, die vor Ort angeboten werden, findet sie. „Sie erfahren Informatives über Orte, an denen sie jeden Tag vorbei kommen.“ Das sei spannender als ein Rundgang durch eine Fabrik in einer fremden Stadt.

Deutlich höhere Nachfrage an Stadtführungen

Touristikerin Angela Christians organisiert für das Mülheimer Stadtmarketing (MST) Bustouren und Rundgänge. Sie weiß: „Seit dem Kulturhauptstadtjahr gibt es insgesamt eine deutlich höhere Nachfrage an Stadtführungen.“ Seit 2010 entdeckten eben nicht nur Touristen das Ruhrgebiet, sondern auch seine Bewohner. Meistens seien es Anlässe wie Jubiläen oder Betriebsausflüge, zu denen die Touren gebucht werden – von Heimatvereinen, Kirchengruppen oder Mülheimern, die Verwandten und Freunden von außerhalb ihre Stadt zeigen möchten. „Der Klassiker sind Fahrten mit der Weißen Flotte“, sagt Angela Christians.

13 Gästeführer

Insgesamt 13 Gästeführer sind für die MST im Einsatz auf Mülheims Straßen – in 18 Themenspaziergängen wie „Kohle, Kumpel, Krupp“, „Am blauen Band der Ruhr“, „Mülheimer Bunker“ oder „Auf Schusters Rappen durch die Auen“. Auch Rundfahrten mit dem Bus bietet die MST – ergänzt durch Angebote privater Busunternehmer.

Die Frauengruppe des Kolpingwerks zieht weiter über den Kurt-Schumacher-Platz über die Kaiserplatz-Kreuzung Richtung Dickswall. Immer den Stolpersteinen nach. Die Teilnehmerin aus Saarn meint: „Ich dachte immer, ich kenne mich in meiner Stadt gut aus – nun habe ich doch noch was dazu gelernt.“