Mülheim. .

Ein 92-Jähriger aus Heißen wurde, vermutlich vor zwei Wochen, um seine Ersparnisse gebracht. Trickbetrüger nutzten offenbar die Arglosigkeit des Seniors aus, der den Verlust einer hohen Summe erst bemerkte, als sein Sohn zu Besuch kam. Dieser hat sich jetzt an die Öffentlichkeit gewandt, um die Mitbürger zu warnen.

Kein Einbruch, aber das Geld war weg – der Bestohlene konnte es sich zunächst gar nicht erklären. Erst als der Sohn intensiv nachfragte, fiel dem Vater ein, dass vor ein paar Tagen eine Firma an der Tür gestanden hatte, die anbot, seine Dachrinnen zu säubern. Kein seriöses Unternehmen, wie der Sohn meint: „Die kamen mit Leitern und stiegen über den Speicher aufs Dach – so konnten sie Einblick in die Räumlichkeiten bekommen“, vermutet er. Und sie hätten sicher auch beobachtet, wo der Vater sein Bargeld verwahrte. Nach der Arbeit kassierten sie ihren Lohn, wollten die Quittung nachreichen, was nicht geschah – kein Name, keine Adresse wurden hinterlassen.

Die Polizei mutmaßt, dass nur gewartet wurde, bis der Senior, der sich nur langsam mit einem Rollator bewegt, das Haus verlassen hatte, und die nicht abgeschlossene Tür geschickt geöffnet wurde. „Das wird wohl nur ein paar Minuten gedauert haben“, schätzt der Sohn, der den Vater schon oft darum gebeten hat, die Tür immer abzuschließen und sein Geld zur Bank zu bringen: „Die Sparbücher haben die Diebe nicht angerührt.“

Diebstahl geschieht häufig nicht sofort

Keine Haustür-Geschäfte zu machen, fällt möglicherweise der Generation schwer, die etwa den Scherenschleifer noch als normalen Straßenhandwerker kennengelernt hat. Die Polizei appelliert aber immer wieder, ein gesundes Misstrauen an den Tag zu legen, denn moderne Tricktäter wollen nur eins: Die Wohnverhältnisse auskundschaften. Damit die arglosen, hilfsbereiten Senioren sie in die Wohnung lassen, bedienen sie sich Tricks: Enkel-, Wasserglas-Trick, falscher Handwerker, falscher Beamter und, und, und.

„Die Senioren wissen, dass es den Zetteltrick gibt“, hat Kriminalhauptkommissarin Brigitte Niebuhr oft erlebt, „aber wenn sich das vor der eigenen Haustür abspielt, ist die Kriminalität ja immer weit weg.“ Welche Seniorin möchte nicht freundlich sein zum vermeintlichen Freund des hilfsbereiten Nachbarn, wenn letzterer gerade nicht da ist und der Bekannte einen Zettel braucht, um eine Nachricht zu hinterlassen? Man lässt sich darauf ein und die Tür auf – einem Bekannten des Nachbarn schlägt man ja nicht die Tür vor der Nase zu – schon kann der Fremde in die Wohnung gelangen. „Bleiben Sie immer kritisch, nehmen Sie sich Zeit, sagen Sie im Zweifel nein“, rät Niebuhr, die im Kommissariat Vorbeugung und Opferschutz arbeitet und Vorträge für Senioren hält mit Tipps, wie sich Ältere vor Straftaten schützen können.

Nachbarn bittet sie, ein Auge darauf zu haben, wenn nebenan Fremde klingeln: „Das hat nichts mit Neugier zu tun, das hat was mit Zugewandtheit zu tun!“ Manchmal reiche es zu rufen: „Hallo Frau X., ist alles in Ordnung?“ Wenn nicht, so Niebuhr, „werden Sie das als Nachbar spüren.“ Tricktäter würden durch solches Interesse oftmals abgeschreckt und gehen – sie wollen ja später nicht identifiziert werden. Häufig, warnt Niebuhr, geschieht der Diebstahl nicht sofort, sondern es wird erst einmal ausgekundschaftet, wo etwas zu holen ist.

Wohnung unbedingt sichern

Falsche Handwerker bieten etwa ihre Dienste für die Gartenarbeit an, gehen aber auch mal zur Toilette oder bekommen einen Kaffee – „die späteren Täter bewegen sich im eigenen Haus und man denkt sich gar nichts dabei“, weiß Brigitte Niebuhr. Sie empfiehlt, bei anstehenden Arbeiten den Handwerksbetrieb selbst zu beauftragen, dann wisse man, wer da kommt.

Einen „Klassiker“ nennt Niebuhr auch diese Masche: Tricktäter sprechen Senioren auf der Straße unter dem Vorwand an, man sei ein Bekannter oder ein Arbeitskollege des (verstorbenen) Mannes. Da diese Täter gut vorbereitet sind, mit der Würde der Leute spielen – „das können Sie doch noch nicht vergessen haben“ – schaffen sie es, dass Angesprochene nicht den eigenen Zweifeln glauben, sondern dem Fremden. Niebuhr: „Wenn es soweit kommt, ist man schnell mit dem Fremden in der Wohnung.“ Apropos: Die Wohnung sollte unbedingt gesichert sein, wenn man sie öffnet, am besten, meint Brigitte Niebuhr, mit einem Kastenriegelschloss mit Sperrbügel. „Dann hat man noch etwas zwischen sich und dem Fremden.“ Denn wenn einer wirklich rein will in die Wohnung, habe man oft nicht mehr die Kraft, die Tür zu schließen.

Ideenreiche Täter

Immer wieder meldet die Polizei, dass Trickbetrüger Senioren geprellt haben. Nehmen diese Taten zu? Das kann ein Sachbearbeiter im KK 31, das Straftaten gegen Ältere untersucht, so nicht bestätigen. Er geht von gleich bleibenden Zahlen aus, sieht eher Phasen für bestimmte Maschen. So habe der „Enkeltrick“ nachgelassen, nachdem mehrmals Täter festgenommen wurden. „Das spricht sich in Täterkreisen herum, dann wird um Mülheim und Essen erst mal ein Bogen gemacht“, weiß der Polizist, der seit zwölf Jahren im KK 31, einem Raubdezernat im Polizeipräsidium Essen/Mülheim, arbeitet. Eine Dunkelziffer dürfte es aber geben: „Viele schämen sich, zur Polizei zu gehen.“ Schämen sich, zuzugeben, dass sie betrogen worden sind. Doch es ist so schnell passiert: „Die Täterklientel ist ja äußerst ideenreich.“

Leider wüssten Täter, dass Senioren oft ihr Geld zu Hause haben. Wer nicht mehr so fit ist wie ein 30-Jähriger, ist ein leichtes Opfer. Die Täter treten ja nicht wie böse Buben auf: „Sie sind redegewandt, können sich gut präsentieren.“