Mülheim.

Nikolaj Borowski und seine 17 Mitschüler verbindet ein gemeinsames Ziel: Sie wollen studieren, sich neue Zukunftsperspektiven schaffen. Dafür drücken sie auch nach abgeschlossener Berufsausbildung ein Jahr lang die Schulbank. Die Möglichkeit dazu haben sie am Berufskolleg Stadtmitte. Denn es bietet als einziges Berufskolleg in der Region die Chance, ein fachbezogenes Abitur zu absolvieren, das den Schwerpunkt auf Gesundheits- und Sozialwesen legt.

Der Jahrgang mit dem sperrigen Namen „Fachoberschule im Sozial- und Gesundheitswesen für berufserfahrene Schüler Klasse 13“ (FOS13B) hat gerade Informatikunterricht. Nikolaj Borowski, Viktoria Gurevits, Fereschta Sarwari und die anderen lassen sich nur ungern von ihren Laptops weglocken. Nutzen Schüler nicht eigentlich jede Ablenkung vom Unterricht?

Nicht diese Schüler. „Sie sind schließlich aus reinem Interesse hier“, erklärt Lehrerin und Abteilungsleiterin Silke Nocker. Die meisten haben bereits Fachabitur und eine Ausbildung als Erzieher, Kranken- oder Kinderpfleger absolviert, viele wollen später noch studieren. Dafür brauchen sie die Allgemeine Hochschulreife.

Fachbezogene Vorbereitung aufs Abitur

„Am liebsten würde ich Sozialwissenschaften und Politik studieren“, sagt Erzieher Nikolaj Borowski (20). Seine Mitschülerin Viktoria Gurevits (20), gelernte Gymnastiklehrerin, möchte nach dem Abi „Rehabilitationspädagogik“ studieren. Fereschta Sarwari ist Sozialhelferin und interessiert sich für Psychologie, Sozialpädagogik oder Soziale Arbeit. „Mal sehen, ob der Abi-Schnitt für Psychologie reicht“, sagt die 20-Jährige.

Dass möglichst alle 18 Schüler des Jahrgangs mit guten Noten durchs Abi kommen, dafür wollen Silke Nocker und ihre Kollegen sorgen. Ein Jahr lang werden die Schüler am Berufskolleg von acht Lehrern fachbezogen auf das Abitur vorbereitet. „Neben Fächern wie Deutsch oder Mathe haben wir auch berufsbezogenen Unterricht wie Erziehungs- oder Gesundheitswissenschaften“, erklären die Schüler.

Kleine Lerngruppen

Anstrengend sei das – schließlich müsse viel Stoff in nur einem Jahr gelernt werden. Aber für das Abitur nehmen sie das gerne auf sich. „Mit viel Fleiß und einer guten Organisation ist es zu schaffen“, meint Daniela Mederake. Die 39-Jährige, gelernte Altenpflegerin und Älteste in der Klasse, versorgt neben der Schule noch ihre zwei Kinder. Doch der Spagat zwischen Ausbildung und Familie klappt. „Mit Abitur habe ich die Möglichkeit, noch etwas zu studieren und mich beruflich zu verbessern.“ Die Aussicht, später mehr zu verdienen, sei es eben auch, die antreibt, ein Jahr lang mit wenig Geld auszukommen.

In dem speziellen Abiturjahrgang ist jedes Fach berufsbezogen aufgebaut. „Selbst in Wirtschaft oder Informatik wird über Soziales gesprochen“, berichten die Schüler. Voraussetzung für die FOS 13B ist die Fachhochschulreife, eine Berufsausbildung und natürlich Engagement. Während Schüler an Gymnasium oder Gesamtschule in Klassen mit bis zu 30 Leuten pauken, lernen die Berufsschüler in kleinen Gruppen, um sie effektiv auf die Abschlussprüfungen vorzubereiten. Schließlich zählen sie zum Zentralabitur.

Erzieher und Krankenpfleger

„Unser Angebot ist einzigartig in der Region“, sagt Silke Nocker. „Die nächste Schule, die das fachbezogene Abi im Gesundheits- und Sozialwesen anbietet, ist in Düsseldorf.“ Daher kommen die Schüler aus verschiedenen Regionen bis nach Mülheim. „Aus Essen, Oberhausen, Duisburg und sogar Leverkusen.“ Ohnehin ist das Berufskolleg auf Berufe in der Gesundheitsbranche oder im Sozialwesen spezialisiert. „Bei uns lernen Erzieher aber auch Krankenpfleger.“ Viele Schüler bräuchten nach der Ausbildung also nur den Klassenraum zu wechseln.

Mit der Allgemeinen Hochschulreife stehen den Absolventen alle Studiengänge an allen Hochschulen offen. Geprüft werden die Fächer Erziehungswissenschaften, Deutsch, Mathe und Englisch. Weitere Infos bei Silke Nocker, Tel. 455-46 00, und im Internet: www.bkmh.de