Mülheim.
Als Herr Pick die Fernbedienung drückt, damit feiner Rauch vom Parterre durch den Flur dringt, flüchtet Charlotte auf den Schoß einer Erzieherin. Vor Feuer hat die Fünfjährige eine instinktive, sehr gesunde Furcht.
Dabei kann in diesem Fall wirklich nichts passieren: Es qualmt nur in einer Puppenstube (im „Rauchdemohaus“), und die steht zu Schulungszwecken in der Hauptwache, Mülheim-Broich. Die Feuerwehrmänner, Bodo Kreische und Sebastian Pick, sind allerdings echt. Und das bekommt die kleine Besuchergruppe aus der Kindertagesstätte Raphaelhaus, zu der die scheue Charlotte gehört, wenig später zu spüren: Beide werden im Laufe der nächsten zwei Stunden zu wahrhaftigen Einsätzen per Lautsprecher gerufen.
Doch zurück in den Brandschutzerziehungsraum, wo die Besichtigungstour der sieben Vorschulkinder am Donnerstag begann. Die Angst vor Feuer und Qualm ist ganz natürlich, aber die Kinder sollen wissen, was sie im Ernstfall erwartet, wie sie sich schützen können. Zu diesem Zweck hat man in der neuen Feuerwache an der Duisburger Straße ein komplettes Kinderzimmer eingerichtet, das nun eine Rauchmaschine mit Wasserdampf vernebelt.
„Kindergartenalarm“ per Handy
Erst quetschen sich die Jungen und Mädchen auf eine karierte Couch, dann robben sie unter fachkundiger Anleitung durch die Tür hinaus. Mit dem Gesicht stets unter der Rauchgrenze, um eine Vergiftung zu vermeiden. Sie hören von Sebastian Pick, dass sie sich auf keinen Fall verstecken dürfen („sonst finden wir euch nicht, und das wäre ganz schlecht“), sie üben, das Fenster zu öffnen („auf gar keinen Fall rausspringen“) und laut um Hilfe zu schreien.
Nach der Arbeit folgt das Vergnügen in Form einer ausgedehnten Führung durch die Hauptfeuerwache, bei der es viel zu entdecken und auszuprobieren gibt. Um mit dem Klassiker zu beginnen: Am Fuß der dicken Rutschstangen löst Bodo Kreische per Handy „Kindergartenalarm“ aus, und prompt kommt ein Kollege ins Erdgeschoss geflutscht.
Ein System aus Käfigen, Rampen, Leitern
In der Fahrzeughalle, wo auch Boote liegen, steigt ein Feuerwehrmann in die volle Montur, samt Atemschutzgerät. Die Vorschulkinder legen sich auf eine Rettungstrage, schauen durch die Wärmebildkamera, betätigen einen 17 Kilo schweren Hydraulikspreizer, wandern durch den hauseigenen Waschsalon mit riesigen Maschinen und sehen in die Spinde, in denen die Feuerwehrleute ihre Bettwäsche für die Nachtwache aufbewahren.
Sie beobachten, wie die neongrünen Schläuche mit Hochdruck durchgespült und in den 20 Meter hohen Trockenturm gezogen werden. Sie klettern durch die „Atemschutzausbildungsstrecke“, ein System aus Käfigen, Rampen, Leitern, durch das sich die Profis mit 25 Kilo schwerer Ausrüstung zu Trainingszwecken quälen. Den Kindern kommt es vor wie ein Indoor-Spielplatz. „Können wir noch bleiben?“ Leider nicht.
Stichwort: Brandschutzerziehung
Nach zwei Stunden endet die hochinteressante Führung. Hat noch jemand eine Frage? „Wann kriegen wir unsere Urkunden?“, möchte ein Junge wissen. Er erfährt: Die Zertifikate, auf denen „Kinderbrandmeister“ steht, werden in der Kita überreicht, jedoch nur an diejenigen, die ihren Namen, ihre Adresse, und die Notrufnummer der Feuerwehr kennen. Denn all das kann im Ernstfall entscheidend sein.
Seit 1999 bietet die Mülheimer Berufsfeuerwehr Brandschutzerziehung an, knapp 30 Einsatzkräfte sind entsprechend fortgebildet. Fast alle Kindergärten nehmen mit ihren Vorschulgruppen daran teil, im Vorjahr waren es 2339 Kinder. Die Veranstaltung ist zweigeteilt: Erst kommen Feuerwehrleute für theoretischen Unterricht in die Kita, dann besuchen die Kinder eine der beiden Wachen: Broich oder Heißen. Auch viele Grundschüler schauen sich bei der Feuerwehr um, 2011 waren es 750 Mädchen und Jungen.