Mülheim.
Manchmal kommt eben alles zusammen – und der Notarzt kaum durch. So geschehen am vergangenen Sonntagmittag an der Harbecke-Sporthalle, wo eine Zuschauerin beim B-Jugend-Fußballspiel TuSpo Saarn gegen RSV Mülheim bewusstlos zusammenbrach, während sich an der Zufahrt der Trödelmarkt vom Kirmesplatz überbreit machte.
Zeitgleich lief in der Halle ein Hockeyspiel. Es war voll. Hans Schiffmann, ein Augenzeuge, spricht von einem „Mordsbetrieb“ und empfand die Situation als kritisch: Die Frau habe leblos im Gras gelegen, sei dann „von einigen beherzten Leuten“ ins Foyer getragen worden. Der Rettungswagen rollte an, „aber zwei Flohmarktstände versperrten den Weg“, berichtet Schiffmann. „Wir mussten laut rufen, damit sie Platz machen.“
Frank Stein, der als Trainer der Heimmannschaft TuSpo vor Ort war, bestätigt, dass der Trödelmarkt schon in der Kurve aufgebaut und die Zufahrt „schwierig“ war. Seine Einschätzung: „Es ist leider ganz dumm gelaufen, da kamen verschiedene Sachen zusammen.“ Stein möchte jedoch „niemandem den Schwarzen Peter zuschieben“. Nebenbei: Das Spiel wurde aufgrund des Zwischenfalls abgebrochen.
Die Feuerwehr bestätigt, dass es „Behinderungen durch Besucher des Trödelmarktes gab“, die sich auf den Straßen zwischen den Verkaufsständen befanden. Die Einsatzkräfte empfanden den Fahrweg als „ziemlich schmal“, es habe aber keine erheblichen Verzögerungen bei ihrer Arbeit gegeben. Dieses Mal zum Glück nicht. Doch mit dem Problem, dass Rettungswagen behindert werden, kämpft man oft. „Auf solchen Veranstaltungen ist es immer eng“, meint Horst Brinkmann, Sprecher der Mülheimer Berufsfeuerwehr. „Oft ist es nicht nur die Lage der Stände, sondern das Laufpublikum, das sich nur schwerfällig aus dem Weg bewegt.“ Auch bei Autofahrern erlebe man es allzu oft. Erfahrene Einsatzkräfte sind darauf gefasst: „Notfalls wird das Horn gezogen.“
Um zur guten Nachricht zu kommen: Die Patientin, übrigens Mutter eines RSV-Kickers, konnte schon am selben Nachmittag aus dem St. Marien-Hospital entlassen werden. Die Mintarder Straße wird künftig als Rettungszufahrt vermerkt, das Ordnungsamt will noch mehr darauf achten, dass der Trödelmarkt nicht über Grenzen geht.
„Diesmal standen nicht alle Stände so, wie sie hätten stehen sollen“, sagt dessen stellvertretender Leiter Bernd Otto. Die Sicherheit des Marktes werde aber regelmäßig überprüft und sei „nirgendwo erkennbar beeinträchtigt“.
„Wir nehmen die Schranke weiter zurück“, verspricht Veranstalterin Ute Druba, weiß aber auch aus Erfahrung: „Besucher sind ein schwieriges Volk und die Menschen oft gedankenlos.“ Die Feuerwehr sieht das ähnlich.
Risiko-Bewertung: Flohmarkt viel harmloser als Boygroup-Konzert
Ob bei einer Veranstaltung eigene Sanitäter vor Ort sein müssen oder sogar Krankenwagen und Notarzt, wird nicht anhand einer einzelnen Norm bestimmt, erklärt Bernd Otto vom Mülheimer Ordnungsamt. Vielmehr legt man in der Praxis das „Maurer-Schema“ zugrunde: ein rechnerisches Verfahren zur Bewertung des Risikos bei Großveranstaltungen. Grundlage ist die Zahl der maximal zulässigen und der erwarteten Besucher. Aber auch die Art der Veranstaltung spielt eine entscheidende Rolle, hier arbeitet man mit abgestuften „Wichtungsfaktoren“: Ein Flohmarkt kommt gerade auf 0,3, während eine Demo mit 0,8 bewertet wird, ein Boygroup-Konzert sogar mit 1,2. Der Trödelmarkt in Saarn, zu dem nach Veranstalterangaben im Winter 2000 bis 3000 Leute kommen, im Sommer etwa das Doppelte, muss keinen Sanitätsdienst vorhalten, zumal die Tagesbesucher nicht gleichzeitig auf dem Kirmesplatz sind. Anders sieht es beim deutlich größeren Trödelmarkt im Rhein-Ruhr-Zentrum aus.