Mülheim. .

Es traf sich eine sehr gemischte Runde am eckigen Tisch: Mit Marco Schreiner (Tersteegenschule), Lara Taschies (Realschule Stadtmitte), Tamara Dolhaine (Gymnasium Heißen), Jeremia Andree (Gesamtschule Saarn), Suboshini Balamurali und Rosie Kamagale (beide von der Hauptschule Dümpten) waren sechs Mülheimer Jugendliche von fünf verschiedenen Schulformen vertreten. Es wurde eine Schulkonferenz der besonderen Art...

Was gehört aus eurer Sicht zu einer guten Schule?

Tamara Dolhaine: Motivierte Lehrer.

Jeremia Andree: Kompetente, motivierte Lehrer. Sonst werden sie nicht ernst genommen von den Schülern, vor allem in Sekundarstufe 1. Ein schönes Äußeres wäre auch nicht schlecht für eine Schule.

Wie sieht eure aus?

Jeremia: Von außen grau und auch von innen gar nicht gut. Wir kämpfen schon seit Jahren bei der Stadt für eine Renovierung.

Suboshini Balamurali: Eine gute Schule braucht auch motivierte Schüler.

Fehlt es daran bei euch?

Suboshini: Ja, manchmal.

Und wie macht sich das bemerkbar?

Rosie Kamagate: Entweder Störungen oder gar keine Mitarbeit. Manche tauchen auch überhaupt nicht auf.

Wenn jemand nicht zur Schule kommt, was passiert dann?

Suboshini: Wir haben jetzt eine interne Regel, die wurde von der Schulkonferenz beschlossen: Jeden Morgen um 8.15 Uhr werden alle fehlenden Schüler in eine Liste eingetragen, dann ruft eine Lehrerin bei ihnen zu Hause an und fragt, was los ist.

Wirkt das denn?

Suboshini: Ja, das wirkt.

Marco Schreiner: Ich finde, eine gute Schule braucht auch Sauberkeit.

Ist das bei euch an der Tersteegenschule ein Problem?

Marco: Teilweise. Wir haben beispielsweise einen Schulkiosk, und da werfen manche Kinder den Müll einfach auf den Boden.

Greift dann jemand ein?

Marco: Wenn einer erwischt wird, muss er für alle den Schulhof fegen.

Lara Taschkies: Was ich wichtig finde, ist ein gemeinsames Miteinander der ganzen Schule, auch der älteren Jahrgänge mit jüngeren. Das ist bei uns relativ gut gelöst.

Wie denn?

Lara: Zum Beispiel gestalten die Zehner AGs für die Kleineren im Ganztag: Sport-AGs, Speedstacking macht einer aus meiner Klasse. Pausenhelfer haben wir auch.

Ihr habt alle eine besondere Funktion: als Schülersprecher. Wofür engagiert ihr euch besonders?

Suboshini: Wenn Klassen Wünsche haben, zum Beispiel für ihre Abschlussfeier, sollen sie uns das mitteilen, und wir geben es an die Lehrer weiter.

Ihr seid Vermittlerinnen?

Suboshini: Genau.

Rosie: Wir sprechen für die Schüler und helfen.

Kommen Jugendliche auch mal mit persönlichen Pro­blemen zu euch?

Suboshini: Nein, bis jetzt noch nicht.

Jeremia: Wir wollen aktuell umsetzen, dass bei uns auf dem Schulhof und in den Gängen Sitzgelegenheiten angeschafft werden.

Tamara Dolhaine: Bei uns wird gerade die Einrichtung eines Oberstufenraums ganz heiß diskutiert. Wir haben nur eine Caféteria, wo die Kleineren essen und spielen, wir aber Hausaufgaben machen wollen. Das geht von der Lautstärke her gar nicht.

Ihr redet als Schülersprecher ja mit allen Jahrgangsstufen. Nach eurem Eindruck: Geht es den meisten Kindern und Jugendlichen an der Schule gut, oder spürt man die Probleme, von denen oft gesprochen wird: Stress, Leistungsdruck?

Jeremia: Bei uns an der Gesamtschule ist es ja so, dass wir in Mathe und Englisch differenzieren zwischen G- und E-Kursen, Grund- und Erweiterungskursen, und so weit ich weiß, wechseln die Schüler oft auch innerhalb des Halbjahres. Ich glaube, bei uns ist der Stress und Druck sehr gering. die Schüler sind eigentlich sehr relaxt.

Bei Euch auch?

Suboshini: Bei uns gilt dasselbe, es gibt auch E- und G-Kurse. Den meisten geht es an der Schule wohl gut.

Rosie: ... denen geht’s gut.

Marco: Bei uns gibt es keine unterschiedlichen Kurse, aber die Klassen sind sehr klein. In meiner Klasse sind wir nur zu zwölft, und wie ich es sehe, gibt es da kein Problem.

Fändet ihr vielleicht ein anderes Schulsystem besser? Gerechter?

Jeremia: Die Gewichtung von Klausuren sollte geringer sein, denn das sind nur punktuelle Leistungen. Mündliche Mitarbeit müsste mehr zählen.

Die verschiedenen Schulformen, die es gibt: Sollten sie bleiben? Oder könntet ihr euch etwas anderes vorstellen, eine Schule für alle...

Rosie: Ich verstehe nicht, was der Unterschied zwischen einer Gesamtschule und einer Hauptschule ist, denn wir machen auch FOR, Fachoberschulreife, wie an der Gesamtschule. Aber oft werden die Hauptschüler heruntergestuft und haben den Ruf, etwas asozial zu sein. Ich verstehe nicht, warum.

Sollte es aus deiner Sicht nur noch Gesamtschulen geben, keine Hauptschulen mehr?

Rosie: Ja.

Jeremia: In der vierten Klasse gibt es die Schulempfehlung. An einer Gesamtschule hätten alle Grundschüler zumindest noch ohne Umschweife die Chance, dass sie später Abitur machen können.

So ist also keine Durchlässigkeit gegeben?

Suboshini: Die meisten Kinder wechseln nicht. Man gewöhnt sich ja auch an die Schule und die Lehrer, hat dort seine Freunde.

Habt ihr privat auch mit Jugendlichen von anderen Schulformen zu tun?

Jeremia: Ja. Ich komme ursprünglich von der Realschule, und einige meiner Freunde von dort sind jetzt auf dem Gymnasium, andere machen eine Ausbildung.

Wenn ihr Euren Stundenplan verändern könntet, entweder etwas weglassen oder ein neues Fach einführen – was würdet ihr machen?

Marco: Immer nur vier Stunden. Wir haben jetzt fast immer sechs Stunden, freitags sieben, das ist zu viel.

Jeremia: Wir haben ja in der Oberstufe ein Kurssystem, und da sieht der Stundenplan manchmal eigenartig aus. Ich habe zum Beispiel mittwochs um halb acht Spanisch, meine nächste Stunde ist dann aber erst um halb zwei.

Suboshini: Es müsste kürzer sein. Bei uns auf der Schule haben wir im 60-Minuten-Takt Unterricht, trotzdem geht es fast immer bis drei Uhr. Das ist ist zu lang.

Bleibt euch noch genügend Freizeit?

Rosie: Wenn ich von der Schule komme, muss ich die Hausaufgaben machen, die schon etwas länger gehen, und dann bin ich auch meist schon zu müde, um irgendwas anderes zu tun.

Tamara: Es gibt manchmal Sportkurse, die gehen bis sechs Uhr abends, und am nächsten Tag schreibt man eventuell noch eine Arbeit, für die man lernen muss, dann bleibt keine Zeit mehr für etwas anderes. Manchmal ist das schon eine kleine logistische Meisterleistung.

Habt ihr eigentlich Berufswünsche? Oder sogar schon Bewerbungen losgeschickt?

Suboshini: Wir haben bei uns an der Schule ein Projekt mit der Berufsbildungswerkstatt, und die helfen uns sehr. Das sind zwei Damen, die uns betreuen. Alle Zehner müssen daran beteiligt sein.

Rosie: Man macht Termine mit der zuständigen Frau, und die schreibt mit einem Bewerbungen, sucht Stellen raus und ruft auch an, wenn man eine Praktikumsstelle braucht.

... sehr praktisch.

Suboshini: Ja, die sind sehr gut.

Was möchtest du werden?

Suboshini: Bürokauffrau. Ich hatte kürzlich auch schon ein Vorstellungsgespräch und mehrere Einstellungstests.

Jeremia: Ich möchte ein duales Maschinenbau-Studium machen und bewerbe mich gerade bei den großen Unternehmen hier im Ruhrgebiet.

Marco: Ich finde Tischler ganz gut.

Gibt es bei euch an der Schule eine Berufsberatung?

Marco: Wir habe so genannte Lotsen, Leute aus Firmen, die bei Bewerbungen helfen. Jeder hat einen persönlichen Betreuer.

Lara: Mein Ziel ist erst mal Fachabitur am Berufskolleg.

Seid ihr optimistisch, dass alles so läuft, wie ihr euch das vorstellt?

Alle nicken.

Werdet ihr traurig sein, wenn ihr demnächst eure Schule für immer verlasst?

Rosie, Suboshini, Tamara: Jaaa.

Warum?

Tamara: Wir beklagen uns zwar immer über die Schule, und wenn ich morgens um acht da bin, gefällt es mir auch nicht. Aber sie bietet doch Halt und Sicherheit. Wenn ich nächstes Jahr Abitur mache, war ich neun Jahre auf dieser Schule, die gibt einem so viel. Was man an Freunden kennenlernt, an unterschiedlichen Charakteren von Lehrern... Ich glaube, da ist man schon etwas traurig.