Mülheim. Wird zu häufig operiert? Die hiesigen Krankenhäuser weisen diesen Vorwurf für ihre Einrichtung entschieden zurück.

Wird in Krankenhäusern zu schnell zum Skalpell gegriffen? Das jedenfalls behauptet der Verband der Ersatzkassen NRW. Er verweist darauf, dass seit 2005 rund 30 Prozent mehr Knie- und Bandscheiben-Operationen durchgeführt worden seien und laut einer Studie der Techniker-Kasse sich die Zahl der Wirbelsäulenoperationen sogar verdoppelt habe. Fühlen sich auch die beiden hiesigen Krankenhäuser von der Kritik angesprochen?


„Wir haben uns die Zahlen der vergangenen drei Jahre einmal genau angeschaut. Danach kann von einer relativen Steigerung der OP-Zahlen keine Rede sein“, erklärt Heinz-Jochen Gassel, Ärztlicher Direktor am Ev. Krankenhaus und Chefarzt der Chirurgischen Klinik. Sein Haus lege Wert darauf, Patienten ausführlich über die unterschiedlichsten Behandlungsmethoden zu informieren.

Dabei kämen zum Beispiel die Risiken und Vorteile einer OP ebenso zur Sprache wie die Möglichkeiten einer konservativen Therapie, die zum Beispiel bei Rückenproblemen Physiotherapie, Spritzen oder auch eine dauerhafte Gewichtsabnahme des Patienten beinhalte. „Wir sind eher für eine konservative Behandlung und zurückhaltend, was Operationen betrifft. Und als Ärzte beugen wir uns auch nicht einem irgendwie gearteten Druck“, so Gassel.

Älter werdende Gesellschaft

Man dürfe allerdings auch nicht vergessen, dass die Menschen immer älter werden. Die Folge: Die Zahl derer, bei denen eine Operation medizinisch durchaus sinnvoll sei, nehme stetig zu. „Aber setzt man die Zahl der OPs zu denen der Patienten ins Verhältnis, ist die Quote seit Jahren stabil.“

Erstgebärende sind im Schnitt älter als früher

Unstrittig ist, dass in den vergangenen Jahren die Zahl der Entbindungen per Kaiserschnitt zugenommen haben. „Wir liegen in unserem Haus bei rund 30 Prozent“, sagt Andrea Schmidt, Chefärztin der Frauenklinik im Ev. Krankenhaus. Die Medizinerin nimmt die Vorstellungen ihrer Patientinnen ernst. „Keine kommt und sagt, Kaiserschnitt und keine weitere Diskussion.“ Sie nennen Gründe. Erstgebärende sind heute im Durchschnitt älter als früher und bevorzugen deshalb eine Operation. Eine Entbindung per Kaiserschnitt belastet auch nicht den Beckenboden. „Und die Frauen wollen zunehmend absolute Sicherheit und Risikolosigkeit. Die gibt es aber natürlich auch nicht bei einem Kaiserschnitt“, so Schmidt.

Bei diesem Punkt muss Dirk Ruiss vom Verband der Ersatzkassen NRW widersprechen. Landesweit betrachtet, also nicht auf ein einzelnes Krankenhaus bezogen, sei eindeutig eine Zunahme an Hüft- und Knieoperationen zu verzeichnen. Und dies hätte nichts damit zu tun, dass die Menschen länger leben als früher: „Der Altersquotient wurde herausgerechnet“.

Was Gassels Aussage, Ärzte beugten sich nicht dem finanziellen Druck betrifft, meint Ruiss: „Ein nicht belegtes Bett kostet Geld, und damit besteht die Gefahr, dass die Betten mit Patienten belegt werden, auch wenn es die Diagnose nicht erfordert.“

Vertrauensverhältnis ist ein "hohes Gut"

Zurück nach Mülheim. „Wir haben die Aufgabe, dem Patienten das zu empfehlen, was für ihn das Richtige ist. Die Grundlage bei allem ist, dass zwischen Patient und Arzt ein Vertrauensverhältnis besteht. Das ist ein ganz hohes Gut“, sagt der Geschäftsführer des St. Marien-Hospitals, Dirk Albrecht.

Und er betont, wie wichtig das Thema „Zweitmeinung“ ist. In der onkologischen Konferenz zum Beispiel klärten Fachärzte verschiedener Disziplinen die Therapie von Krebspatienten. Aber auch sonst gelte: „Wenn ein Patient im Zweifel ist, soll er eine Zweitmeinung einholen. Das ist ein gutes Instrument der Qualitätssicherung.“