Mülheim.

Über die Erhöhung der Gebühren für die Biotonne haben sich Grundstückseigentümer, die seit Anfang 2011 mehr dafür zahlen müssen, geärgert. Doch auch, wenn die Kappungsgrenze, wie es der Umweltausschuss am Freitag beschloss, 2012 ganz wegfallen sollte, genießen Nutzer der Brauen Tonnen Subventionen. Warum das so ist, erläutert Umweltamtsleiter Dr. Jürgen Zentgraf im Interview.

Wie viele Biotonnen stehen denn aktuell in Mülheim?

Jürgen Zentgraf: Über 12.000 in verschiedenen Größen. Wir haben hier in Mülheim insgesamt 26.700 Grundstücke, die an die Abfallentsorgung angeschlossen sind. Davon haben 10.900 Biotonnen. Viele haben mehrere, so kommt die Zahl 12.000 zustande.

Wieso hat denn nicht jedes Grundstück eine?

Zentgraf: Nur für den Küchenabfall nutzen die Bürger im Regelfall keine Biotonne. Größere Bioabfallmengen gibt es auch nicht in der Innenstadt oder in anderen, dicht besiedelten Bereichen. Biotonnen rechnen sich hauptsächlich für Grundstücke mit Garten, bei denen viel Grünabfall anfällt. Das sind vor allem Ein- und Zweifamilienhäuser.

Wie kamen die Gebühren zustande?

Zentgraf: Die Braune Tonne ist 2000 in Mülheim flächendeckend eingeführt worden. Um ein möglichst hohes Bioabfallaufkommen zu haben – was als Zielgruppe zunächst große Grundstücke mit Gärten vorgibt – wurde die Biotonne finanziell unterstützt. Eine Biotonne kostet – bei 14-tägiger Leerung – stets nur ein Viertel der Gebühren der Restmülltonne gleicher Größe bei wöchentlicher Abfuhr.

Finanziell unterstützt heißt hier, dass die Kosten über die Restmüllgebühren quersubventioniert werden.

So wurde die Biotonne im Grunde von Anfang an subventioniert . . .

Zentgraf: Ja. Und um die Einführung der Biotonne noch zusätzlich zu fördern, wurde damals auch festgelegt, dass die Bioabfallgebühr maximal die Hälfte, also 50 Prozent, der Restabfallgebühr für das gesamte Grundstück betragen darf, egal, wie viele Braune Tonnen da stehen. Das ist die so genannte Kappungsgrenze.

Davon hat das Mehrfamilienhaus mit Gartengrundstück derzeit aber nichts?

Zentgraf: Die Kappungsgrenze ist ja abhängig von einer kleinen Restabfallmenge. Beim Mehrfamilienhaus ist die Restabfallmenge aber größer, dann setzt die Subvention, also der Vorteil durch die Kappungsgrenze, auch erst später, also bei einer größeren Anzahl von Biotonnen, ein.

Diese Kappungsgrenze wurde nun aber im vergangenen Jahr verändert, und das hat viele Eigenheimbesitzer geärgert . . .

Zentgraf: Es wurde 2010 von der Politik jede Möglichkeit geprüft, Subventionen abzubauen, um Gebührenerhöhungen abzufedern. So wurde politisch entschieden, dass sich die Kappungsgrenze nicht mehr auf die halbe Restmüllgebühr, sondern auf die ganze, auf 100 Prozent, bezieht.

Der Verband Wohneigentum hatte damals errechnet, dass allein dadurch die Gebühren für die Biotonne auf 110 Prozent gestiegen waren . . .

Zentgraf: Das stimmt rein rechnerisch auch. Man kann es so sehen, dass man in 2011 das Doppelte bezahlen muss. Man kann aber auch so sehen, dass der Vorteil, den der Einzelne durch die Kappung hatte, jetzt nicht mehr ganz so groß ist. Denn man hat mit seiner Biotonne ohnehin schon einen Vorteil gegenüber den Gebührenzahlern ohne Braune Tonne, das darf man ja nicht vergessen: Die Biotonne ist subventioniert allein dadurch, dass sie nur ein Viertel der Gebühren der Restmülltonne kosten darf. Die Politik hat mit der Erhöhung der Kappungsgrenze die Subvention der Biotonne zugunsten der anderen Gebührenzahler, nämlich der ohne Biotonne, abgebaut.

Wie viel wurde dadurch eingespart und floss in den Gebührenhaushalt zurück?

Zentgraf: Wir haben etwa 150.000 Euro durch die Erhöhung der Kappungsgrenze eingespart.

Wie machen es eigentlich andere Städte?

Zentgraf: Die meisten machen es so ähnlich wie wir. Aber das Landesabfallgesetz lässt alle Möglichkeiten zu: Es gibt Städte, die bei Bioabfall und Restmüll die konkret anfallenden Kosten berechnen und auch Gemeinden, die gar nichts für ihre Biotonnen verlangen.

Es spielt sich ja alles unter dem Dach eines gemeinsamen Gebührenhaushalts ab. Kein Kämmerer wird allgemeine Finanzmittel in den Gebührenhaushalt stecken. Dann wird die kostenlose Biotonne eben über die Restmülltonne finanziert. Irgendwo muss das Geld ja herkommen. Auch bei uns ist es ja so, dass die Subvention der Biotonne über Restmüllgebühren ausgeglichen wird.

Wir führen immer die Diskussion um gerechte Abfallgebühren. Sie werden aber keine Abfallgebührensatzung finden, die es jedem Recht macht. Dafür sind die Anforderungen – denken Sie nur an die Unterschiede zwischen dem Einfamilienhäuschen im Grünen und dem Hochhaus im Stadtzentrum – zu verschieden.