Mülheim. So lange wie möglich selbstbestimmt in den eigenen vier Wänden zu Hause sein. Das möchte jeder. Ob und wie lange das möglich ist, hängt nicht zuletzt davon ab, wie barrierefrei die eigene Wohnung ist oder durch Umbaumaßnahmen werden kann.

Kommt man auch dann noch durch die Badezimmertür, wenn man plötzlich im Rollstuhl sitzt? Und wie kann man Badewanne, Dusche oder Toilette und Waschbecken noch eigenständig benutzen, wenn das voranschreitende Alter das eine oder andere körperliche Handicap mit sich bringt und die Bewegungsfähigkeit einschränkt. Das kann schnell passieren, sei es zum Beispiel durch einen Unfall, einen Schlaganfall, Rheuma und Osteoporose oder Muskelschwund und Parkinson.


Handlungsbedarf

Man braucht nur in die Mülheimer Bevölkerungsstatistik zu schauen, um zu wissen, wie existenziell barriere- und seniorengerechtes Bauen und Wohnen für unsere Stadtgesellschaft ist. Schon heute sind fast 30 Prozent aller 168 500 Mülheimer über 60. Und die 45- bis 60-Jährigen stellen bereits mit 23,5 Prozent die zweitstärkste Bevölkerungsgruppe.

Um so mehr verwundert es, wenn man von Holger Förster erfährt, dass es in der Stadt mit einem der höchsten Altersdurchschnitte in Nordrhein-Westfalen bisher kein Register über den Bestand an senioren - und behindertengerechten Wohnungen gibt. „Die sind einfach nicht meldepflichtig“, sagt Förster, der zusammen mit seinen Kollegen Jorge Escanilla-Rivera und Claudia Moscatelli beim Sozialamt die Wohnberatung für Senioren betreut. Auch wenn er keine konkreten Zahlen nennen kann, merkt Förster in seinen Beratungsgesprächen, dass der Bedarf an barrierefreiem Wohnraum steigt. Das stellt auch der an der Kölner Straße ansässige Unternehmer Ulrich Götze fest. Gerade wurde seine Firma Bau und Design von der in Iserlohn ansässigen Deutschen Gesellschaft für Gerontotechnik (GGT) als Fachbetrieb für senioren- und behindertengerechte Installation zertifiziert, so, wie zuvor fünf von insgesamt 113 Mülheimer Fachbetrieben, die im Bereich Heizung, Sanitär und Klima tätig sind. „Wir haben uns da alle mal mit einer Bleiweste auf die Toilette gesetzt“, berichtet Götze von der dreitägigen Schulung bei der GGT. Bevor es um technische Details ging, mussten alle seine sechs Mitarbeiter auch eine Alterssimulation durchlaufen, um sich überhaupt vorstellen zu können, wie es sich anfühlt, wenn der Körper im Alter nicht mehr so kann, wie der Geist vielleicht noch will. „Niemand möchte als alt oder behindert gelten“, weiß Götze aus seinen Kundengesprächen.

Deshalb stellt er, wenn es um sichere und belastbare Haltegriffe in Bad und WC, um ebenerdige Duschkabinen oder abgesenkte Badenwannenränder mit Sitz- und Haltevorrichtung, um breitere Wohnungstüren, Rampen und Treppenlifte oder um Toiletten und Waschbecken geht, die man per Knopfdruck auf die passende Höhe bringen kann, immer den Komfort- und Wohlfühleffekt solcher Umbaumaßnahmen in den Vordergrund. Götze spricht denn auch vom „generationengerechten Bauen und Planen.“

Wer hat so viel Geld?

Und wer bezahlt die Umbaumaßnahmen, die schnell mehrere 1000 Euro kosten können? Förster und Götze verweisen in diesem Zusammenhang auf Fördermöglichkeiten durch den Landschaftsverband Rheinland, die Pflegekasse und auf zinsgünstige Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). „Auch viele Vermieter beteiligen sich an Umbaukosten, weil sie wissen, dass dadurch der Mietwert ihrer Wohnung steigt“, weiß Götze. Seniorenwohnberater Förster sieht vor allem bei großen Wohnungsbaugesellschaften eine zunehmende Sensibilisierung für den barrierefreien Umbau ihrer Wohnungen. Er lässt aber auch keinen Zweifel daran, „dass die meisten Vermieter auf diesem Feld mehr tun könnten, als sie bisher getan haben.“

Der kurze Draht zum Rat

Die Seniorenwohnberatung der Stadt bietet auch bei den Ratsuchenden vor Ort Beratungstermine nach Vereinbarung an und ist telefonisch unter 455 50 59, 455 50 07 oder 455 50 58 erreichbar.