Mülheim. .

Sechseinhalb Minuten können gefühlt zu Stunden werden – wenn man in einem brennenden Haus festsitzt und auf Rettung wartet. Solange darf die Fahrt für Feuerwehr und Rettungsdienste zum Einsatzort dauern. Damit sie schnell und sicher dorthin gelangen, fahren sie mit Sonderrechten, mit Blaulicht und Martinshorn über die Straßen der Stadt, bei Tag und Nacht. Doch gerade im Innenstadtbereich sowie in Broich und Heißen beschweren sich regelmäßig Anwohner über das angeblich zu lange und auch unnötige Tatütata. Muss das Martinshorn denn immer schrillen?

„Wir ziehen das Martinshorn sicherlich nicht zum Spaß“, erklärt Sven Werner, stellvertretender Leiter der Feuerwehr Mülheim. Schließlich sei die Warnsirene vor allem im Inneren des Rettungswagens ohrenbetäubend laut, die Helfer während des Einsatzes ohnehin unter Anspannung. „Das ist Stress pur“, weiß Werner. Vielmehr seien sie gesetzlich verpflichtet, das Martinshorn aus Sicherheitsgründen vor Kreuzungen zu betätigen. „Etwa zehn Sekunden bevor wir in eine Kreuzung einfahren, müssen wir das Horn ziehen – so fordert es der Gesetzgeber“, erklärt der erfahrene Feuerwehrmann.

Die schrille Sirene warne andere Verkehrsteilnehmer schon von Weitem und verringere die Gefahr eines Zusammenstoßes. Fährt ein Rettungswagen ohne Signalhorn über eine Kreuzung und baut einen Unfall, hat er zudem mindestens eine Teilschuld. „Einen solchen Fall hatten wir bereits in Mülheim“, sagt Sven Werner.

Martinshorn ist Pflicht

Nicht jeder Anwohner möchte die Signalfahrten still ertragen: Im Lärmaktionsplan, den die Stadt derzeit erstellt, um Lärm zu verringern, dürfen sich auch Bürger mit Vorschlägen beteiligen. So klagen Anwohner der Heinrich-Lemberg-, der Hingberg- und der Hardenbergstraße über das dauernd dröhnende „Martinshorn der Feuerwehr bei Einsatzfahrten.“ Ihr Vorschlag: Die Ampelschaltung an der Kreuzung Heinrich-Lemberg-/Hardenbergstraße von der Feuerwache aus anders zu takten, „so dass der Einsatz der Martinshörner drastisch reduziert werden kann, weil die Straße schon frei ist“. Außerdem fordern die Anwohner einen „generell zurückhaltenderen Einsatz der Feuerwehr-Sirenen“.

Das gestalte sich schwierig, weiß Helmut Storm, Geschäftsführer des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Schließlich habe der Rettungsfahrer eine Garantenpflicht, dass während der Fahrt nichts passiere. Das Martinshorn vor jeder Kreuzung zu ziehen, sei dabei Pflicht und gerade die Hingbergstraße wegen ihrer vielen Ampelkreuzungen besonders belastet.

Appell an Bürger

Den Vorschlag der Heißener, Ampelschaltungen zu ändern, mache vor allem in der Nähe von Feuerwachen Sinn. „Zum Beispiel an der Mühlenbergkreuzung“, meint Storm. In anderen Bereichen würden jedoch zu lange Wartephasen für Autofahrer entstehen. Vereinzelte Vorwürfe, die Fahrer würden ihre Sonder- und Wegerechte nur aus Spaß nutzen, kann Storm aber entkräften. „Der Drang, den Verkehrsmacho zu spielen, ist schnell vorbei.“ Denn: „Eine solche Fahrt ist stressig – man ist angespannt und steht unter Druck, weil man weiß, dass ein Verletzter wartet.“ Dennoch sei es vom Einzelfall abhängig und liege im Ermessen des Fahrers, ob, wo und wie lange er nachts das Martinshorn ziehe. „Wir wissen, dass es störend ist und würden es sicher nicht einschalten, wenn es nicht nötig wäre.“ Doch: Jeder Mensch möchte, dass ihm im Notfall schnell geholfen werde. „Nur das Horn möchte niemand hören.“ Bei gewissen Stichworten wie „Herzinfarkt“ fahre der Notarztwagen generell mit Blaulicht und Sirene zum Einsatz. Ob es am Ende doch falscher Alarm war, könne man vorher nie wissen.

Feuerwehrsprecher Sven Werner appelliert daher an das Verständnis der Bürger. „Wir nutzen das Martinshorn nur im Notfall und garantiert nicht aus Langeweile. Wir sind ja schließlich kein Fanfarenverein.“