Mülheim. Der Kreisverband der Linken kündigt das Ausscheiden seiner letzten verbliebenen Ratsfrau Gabriele Rosinski an. Diese aber will den Stuhl vorerst gar nicht räumen. Hinter vorgehaltener Hand ist von Mobbing die Rede.
Gabriele Rosinski nennt sich Ratskollektiv, ist aber seit der Spaltung der Linken-Fraktion doch nur Einzelkämpferin im Stadtrat Mülheim. Jetzt ist im Kreisverband der Linken ein weiteres kurioses Kapitel aufgeschlagen: Die Partei, der 2009 bei der Kommunalwahl über 3000 Mülheimer ihre Stimme gegeben haben, steht offenbar ohne ein Ratsmitglied da, das seine politischen Beschlüsse umsetzt. Wieder mal herrscht großer Zoff im eigenen Lager: Der Parteivorstand verkündete nun, dass Rosinski ihr Mandat niederlegen werde. Die aber widerspricht: So schnell werde man sie nicht los.
Am Mittwochabend um 23.50 Uhr erreichte die WAZ-Redaktion jene denkwürdige Pressemitteilung des Kreisverbandes „Die Linken“ per Mail – vier Sätze lang, beginnend mit einem Zitat von Gabriele Rosinski selbst: „Liebe Genossinnen und Genossen, ich werde aus gesundheitlichen Gründen in absehbarer Zeit mein Ratsmandat niederlegen.“
"Ich habe eine Verantwortung der Gesamtpartei gegenüber"
So weit, so richtig das Zitat. Nur stammt es aus einem Brief, von dem Ratsfrau Rosinski sagt, er habe nur als „parteiintern“ zu gelten. Tatsächlich war er an Kreisverband und Landesvorstand gerichtet. Spricht die Aussage eigentlich eine klare Sprache, so sagt Rosinski: „Ich habe vorher noch einiges abzuwickeln. Ich habe eine Verantwortung der Gesamtpartei gegenüber.“ Möglich, dass sie ihr Mandat noch ein Jahr weiter ausübe. Oder länger.
Die Verwirrung: maximal. Die Ursache aber deutlich, wie die WAZ aus Parteikreisen erfuhr. Wieder einmal zieht sich ein tiefer Graben durch den Kreisverband: hier ein Häufchen Getreuer von Rosinski, dort der Rest der knapp 100 Mitglieder starken Partei.
Von Mobbing ist die Rede
In der Mitteilung des Kreisvorstandes, und das unterstrich Gernot Schaper später noch mal, ist zwar von der „verdienten Genossin“ Rosinski, die mit „unermüdlichem Einsatz“ gewirkt habe, die Rede. Hinter vorgehaltener Hand sagt ein Mitglied des Kreisvorstandes aber: „Es weint ihr keiner eine Träne nach.“ Von Mobbing ist die Rede, davon, dass interne Auseinandersetzungen eskalierten, weil Rosinski keine andere neben ihrer Meinung akzeptieren könne. Bezeichnend sei ein Satz, den sie gesagt haben soll:
„Der ganze Kreisverband ist Scheiße, eine Lachnummer. Ich bin die Partei!“ Ein Gipfel der Selbstherrlichkeit sei im Juli erreicht gewesen. Da habe Rosinski ihre Genossen aus dem Kreisvorstand nach hitziger Diskussion gar vor die Tür der von ihr selbst angemieteten Räume an der Kämpchenstraße gesetzt.
"Schaff mal eben Hartz IV ab"
Rosinski schimpft auf den Kreisverband, er habe ihre politische Arbeit im Rat in keinster Weise unterstützt. Das einzige, was ihr mitgegeben werde, sei „Schaff mal eben Hartz IV ab“. Kommunalpolitisch relevante Arbeit leiste die Partei nicht. Nicht mal sei ihr daran gelegen, die Ratsarbeit zu kontrollieren.
Partei-Chef Schaper widerspricht. Der Vorstand arbeite gut mit Mandatsträgern der Partei zusammen. Dass man Rosinskis Brief, „in absehbarer Zeit“ ihr Mandat niederzulegen, veröffentlicht habe, erklärt er so: „Wir haben immer wieder Gespräche angeboten. Jetzt wollen wir das Gesetz des Handelns an uns ziehen.“ Weiter aber sei man für Gespräche mit der widerspenstigen Ratsfrau offen. „Es steht eine Mediation im Raum.“
"Es ist alles zertrümmert worden"
Sollte Rosinski an ihrem Mandat festhalten, wird sie wohl nur mehr Politik nach ihrem eigenen Gusto betreiben. Das Tischtuch scheint zerschnitten. Im Falle ihres vorzeitigen Rückzugs aus dem Rat würde laut Kommunalwahlliste der Linken Erik Müller nachrücken. Der hat aber längst die Fronten gewechselt, hat sich für die mit Abtrünnigen der Vergangenheit gebildete Fraktion „WIR-Linke“ als sachkundiger Bürger verpflichten lassen.
Der Kreisverband der Linken könnte alsbald ohne Mandatsträger im Rat dastehen. „Durch die Gier nach Einfluss ist alles zertrümmert worden – das hätte nicht sein müssen“, so ein Vorstandsmitglied.