Mülheim.

Ein Fall aus Recklinghausen wirft die Frage auf, wie man Kinder und Jugendliche in Sportvereinen vor sexuellen Übergriffen schützen kann. Ein einschlägig vorbestrafter Sexualstraftäter hatte sich in mehreren Sportvereinen im Kreis Recklinghausen als Jugendtrainer beworben und fuhr sogar mit einem 14-Jährigen zu einem angeblichen Testtraining. Erst ein Polizeibeamter, dem der Mann aufgefallen war, erstattete Anzeige. Wie halten es Mülheimer Sportvereine mit dem Schutz vor Missbrauch?

Bereits im vergangenen Jahr hatte der Mülheimer Sportbund (MSB) auf seiner Jahreshauptversammlung die Problematik thematisiert. Schließlich kommt es häufig vor, dass sich Straftäter gezielt Tätigkeiten suchen, bei denen sie mit Kindern in engen Kontakt kommen. Der Landessportbund hielt einen Fachvortrag, am Ende sprach auch Sportdezernent Ulrich Ernst eine Empfehlung an die über 140 Mülheimer Vereine aus, sich von allen Übungsleitern in den Jugendabteilungen ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis vorlegen zu lassen. Knapp ein Jahr ist seitdem vergangen – und kaum ein Verein ist der Empfehlung gefolgt.

Führungszeugnisse beim DTV liegen vor

Der Dümptener Turnverein (DTV) ist einer der wenigen Vereine, der darüber abstimmen ließ. „Heute liegen uns 52 Führungszeugnisse von Übungsleitern aus dem Kinder- und Jugendsport vor“, sagt Ingo Fieg, Vorsitzender des DTV, des zweitgrößten Vereins der Stadt. „Bei uns trainieren 700 Kinder und Jugendliche“, erklärt er. „Mit dem Vorlegen der Führungszeugnisse können wir Eltern sagen: Wir tun alles, was machbar ist, für die Sicherheit eurer Kinder.“ Auch wenn es nie hundertprozentigen Schutz gebe, so sei zumindest das Risiko eingedämmt. Liege ein Eintrag im Register vor, bekomme der Betroffene erst gar kein Zeugnis ausgehändigt.

Von Vertrauensbruch zwischen Ehrenamtlichen und Vorstand oder einem drohenden Generalverdacht spüre Fieg nichts: „Jedem im Verein leuchtete ein, dass diese Maßnahme sinnvoll ist, daher gab es keinerlei Einwände.“ Auch wenn die Maßnahme einen bürokratischen Mehraufwand bedeutete. „Es hat ein Jahr gedauert, bis alle Zeugnisse vorlagen. Da muss man am Ball bleiben und immer wieder nachhaken.“

Liegt es am Aufwand, dass kaum Vereine der Empfehlung gefolgt sind? „Vielleicht scheuen viele auch einfach die Debatte“, spekuliert Ingo Fieg.

TSV setzt auf soziale Kontrolle

„Ich halte das Vorlegen eines Führungszeugnisses für überzogen“, meint Heidi Brammer, Vorsitzende des TV Einigkeit. „Unsere Übungsleiter stammen alle aus dem eigenen Sportbetrieb.“ Die meisten von ihnen trainierten schon von Kindesbeinen an im Verein und würden später dann selbst unterrichten. „Man vertraut sich – daher war es nie Thema bei uns, plötzlich Führungszeugnisse zu verlangen“, erklärt sie. Vielmehr haben alle 60 Übungsleiter einen Ehrenkodex unterschrieben, in dem sie sich u.a. verpflichten, das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit zu achten und keinerlei Form der Gewalt anzuwenden.

Diesen müssen auch die 300 Übungsleiter im TSV Viktoria unterschreiben, mit 4680 Mitgliedern größter Verein Mülheims. Ein Führungszeugnis brauchen sie nicht vorlegen, der TSV setzt auf soziale Kontrolle. „Neue Trainer hospitieren über einen längeren Zeitraum, bevor sie alleine eingesetzt werden“, erklärt Jugendwartin Claudia Hendricks. „Zudem führen wir Gespräche und recherchieren, wo eine Person vorher tätig war. Wenn eine gewisse Veranlagung besteht, würden unsere Trainer dies bemerken.“

Die Stadt verlangt bereits seit einem Jahr Führungszeugnisse von Ehrenamtlichen, die mit Kindern arbeiten. „Helfer, die im Offenen Ganztag oder bei Ferienspielen beschäftigt sind, müssen ein solches Führungszeugnis vorlegen, das ist verpflichtend“, sagt Stadtsprecher Volker Wiebels. Für Vereine gibt es eine solche Verpflichtung nicht – sie entscheiden selbst, wie sie das Thema handhaben.