Mülheim.

Das Leben in der Laube befindet sich im Wandel. Die ältere Generation Kleingärtner schrumpft – und muss sich neu aufstellen, um die Kolonie für junge Menschen attraktiv zu machen. Denn die Zeiten, in denen Anwärter jahrelang auf Wartelisten für eine Parzelle anstehen mussten, sind vorbei. Heute locken Schrebergartenvereine mit familienfreundlichen Angeboten in der Natur.

„Früher, vor 20 Jahren, hat man etwa zwei Jahre auf eine Parzelle gewartet“, erinnert sich Helfried Bovermann, Vorsitzender des Kleingartenvereins Styrum an der Friesenstraße, mit 133 Parzellen Mülheims größte Kleingartenanlage. „Heute warten Anwärter im Schnitt ein Dreivierteljahr“, erklärt Bovermann. Schließlich geben Kleingärtner ihre Laube erst auf, wenn sie gesundheitlich nicht mehr können, wegziehen – oder sterben. Die meisten Gartenfreunde sind älteren Semesters, die neue Generation muss fürs Schrebern erst begeistert werden.

Vor fünf Jahren die Reißleine gezogen

Sein Verein habe sich auf den Generationenwechsel eingestellt, zwei Anwärter warten derzeit auf ein freies Fleckchen Grün in Styrum. „Wir haben vor etwa fünf Jahren die Reißleine gezogen, als wir bemerkten, dass die Vereinsstruktur überaltert war“, erklärt der Kleingärtner. „Seitdem wurde umstrukturiert.“

So gaben die Vorsitzenden jüngeren Mitgliedern den Vortritt und einigten sich darauf, verstärkt junge Familien anzusprechen – mit Angeboten und Aktionen im Grünen. Gerade mit der Natur müsse man punkten. „Im Zeitalter der Computer muss man sich was einfallen lassen, um die Familien mit Kindern in die Natur zu locken“, weiß Bovermann. Seitdem haben die Kleingärtner auch einen großen Backofen auf ihrem Gelände stehen. „Dort veranstalten wir Kinderbackaktionen.“ Zudem sollten sich ältere Laubennachbarn tolerant zeigen, dem Klischee des pingeligen Kleingärtners entgegen wirken. Klar, Großvaters Rasen sieht akkurater aus, als der berufstätiger Eltern. „Junge Leute pflanzen anders und haben andere Bedürfnisse – die Strukturen lockern sich.“

Fünf Nationen

Seitdem sich die Anlage nach außen öffne, eine eigene Homepage im Internet betreibe und gezielt Familien anspreche, verzeichne sie wieder einen positiven Trend – mehr Mitgliederzahlen, darunter auch Migranten. „Fünf Nationen“, betont Bovermann.

Ein paar Hecken weiter beackern die Gärtner des Kleingärtnervereins Römerstraße ihre Beete. 76 Parzellen hat die Anlage zu bieten, davon stehen zwei Gärten zur Zeit leer. „Doch die haben wir schnell wieder verpachtet“, ist sich Wolfgang Kerner sicher. Der Vorsitzende des Vereins an der Römerstraße steht gleichzeitig auch dem Mülheimer Kreisverband der Kleingärtner e.V. vor und kennt die Situation in der Stadt. „Das ist je nach Stadtteil unterschiedlich.“ Manche Vereine haben - wie in Styrum – kaum Anwärtermangel, andere beklagen längerfristige Leerstände.

Den Kindern etwas beibringen

„Das Problem ist“, sagt Kerner, „dass wir noch nicht im Wandel angekommen sind.“ Zum einen sei das gut, zum anderen schlecht. Regeln einzuhalten gehöre eben zum Kleingärtnertum, auch wenn das Jüngere anders sehen. „Junge Leute haben andere Ansprüche“, weiß Kerner. „Viele wollen große Spiel- und Sportgeräte im Garten aufstellen – doch das ist laut Bebauungsplan nicht erlaubt.“ Die Einhaltung der Vorschriften empfinden Nachbarn dann als „kinderfeindlich“, meint der Vorsitzende. Dabei habe ein Schrebergarten gerade Familien mit Kindern mehr zu bieten. „Man kann sich ins Grüne zurückziehen, sein Obst und Gemüse selbst anpflanzen und den Kindern etwas über Tiere und die Natur beibringen.“ Mit solchen Reizen müsse man den Nachwuchs in die Gärten locken.

Mit einem weiteren Punkt könne die Kolonie bei jüngeren Leuten gewinnen, meinen die Gartenfreunde: Mit rund 24 Cent pro Quadratmeter Pachtpreis sei ein Kleingarten weitaus erschwinglicher als der Campingplatz, sagt Bovermann. Bei durchschnittlich 350 Quadratmetern Parzelle plus Vereinsbeitrag koste das grüne Gartenstück Glück in der Laubenkolonie nur etwa 160 Euro im Jahr.