Mülheim.

Das Gebläse nervt. Klaus Beisiegel macht es aus, und prompt ist es still im Auto – obwohl Beisiegel, Referent im Umweltamt, mit 50 Stundenkilometern über die Schloßbrücke brettert.

Der Grund für die geräuschlose Fahrt? Unter der Karosserie des städtischen Dienstfahrzeugs hämmert kein Motor. Es surrt nur ein sanftes Elektroherz, ein Akku.

Genau ein Jahr lang fahren Stadtmitarbeiter nun mit dem durch Fördermittel finanzierten Elektroflitzer Fiat Micro-Vett Fiorino. Nach 4000 gefahrenen Kilometern ist es Zeit für ein Zwischenfazit. Für Beisiegel bedeutet das: Zeit zu schwärmen.

Ein Ass im Ärmel

„Mit einer Tankladung Strom für 3 Euro kann ich 100 Kilometer fahren. Das ist einfach irre billig“, sagt er. Zudem sei das Auto „praktisch wartungsfrei. Es gibt keinen Ölwechsel, keine nervende Kupplung, keine defekte Zündkerze.“ Und Beisiegel hat noch ein Ass im Ärmel. „Das Elektroauto ist ein Beitrag für den Klimaschutz. Dieser Wagen stößt nur 5 Gramm C02 pro Kilometer aus. Ein großer Geländewagen stößt weit über 250 Gramm aus.“

Die Sonne strahlt vom Himmel, und Beisiegel lächelt. Wo, bitteschön, ist hier der Haken?

Noch sind die Ladezeiten zu lang, die Reichweiten pro Akku liegen gerade einmal bei 100 Kilometern, was längere Ausflüge (noch) unmöglich macht. Weiterer Kritikpunkt: Die Anschaffung kostet derzeit mehr als doppelt so viel wie ein vergleichbares Auto mit Benzinmotor.

Höchstens 120 Stundenkilometer

„Für den Innenstadtverkehr ist das Auto trotzdem eine hervorragende Lösung“, kontert Beisiegel. Und gibt Gas. „Der Wagen zieht ganz schön schnell an.“ Jedoch immer mit einer kleinen Verzögerung, müsste man hinzufügen, und auch nur bis zu einer Spitzengeschwindigkeit von 120 Stundenkilometern. Beisiegel: „Macht nichts. Die Geschwindigkeit ist im Stadtverkehr ja eh nicht erlaubt.“

Liegengeblieben sei er noch nicht mit dem Wagen. „Einmal gab’s eine Warnmeldung, dass der Akku nicht mehr lange hält. Das war’s.“

Aber ist das Tanken nicht wahnsinnig kompliziert? Muss man sich da nicht sorgen, womöglich einen Stromschlag zu bekommen? Quatsch! Beisiegel macht einen Zwischenhalt: Parkplatz „Tengelmann“. Hier gibt’s Ökostrom, für Kunden sogar gratis (wir berichteten). Für Werbezwecke ist das ein richtig hippes Angebot.

Bloß niemand nutzt es. 13 Elektro-Tankstellen gibt es in Mülheim. Demgegenüber stehen in etwa genau so viele Elektroautos, schätzt der Umweltreferent. Klar, dass sich da keine Schlangen von tankenden Kunden an der Tengelmann-Kasse versammeln.

Dementsprechend verdutzt schaut dann auch die Tengelmann-Verkäuferin, als Beisiegel das orangene Stromkabel aus dem Kofferraum auspackt und nach einer Kundenkarte zum Tanken fragt. „Ähh, Sie sind der Erste, der hier tanken will“, entschuldigt sie sich für ihre Unbeholfenheit.

Freundliche Tanksäule

Vor der Ladentür rollt ein älterer Kunde mit seinem Einkaufstrolley vorbei. Ganz schön laut, dieser Trolley. Zumindest verglichen mit dem Elektroauto. Verblüfft vom ungewöhnlichen Tankprozedere bleibt der Kunde stehen. „Wie weit fährt so ein Wagen?“ 100 Kilometer, danach drei Stunden aufladen. „So lange?“ Sein Interesse scheint verflogen. Er rollt weiter.

Ein Elektroauto zu tanken, ist spielend leicht. Es ist so einfach wie das Laden eines Mobiltelefons. Physik-Kenntnisse braucht man keine.

Beisiegel tankt nicht einmal einen Liter, äh Pardon: eine Kilowattstunde, und zum Abschluss blinkt ein Smiley auf dem Tanksäulen-Display. „Vielen Dank“, steht daneben. „So höflich ist keine andere Tankstelle.“ Beisiegel grinst.

Bis 2020 sollen nach Wunsch der Bundesregierung eine Million Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen unterwegs sein. Bis dahin muss viel Überzeugungsarbeit geleistet werden – auch vor Ort. „Mit den teuren Preisen kann ich den Kämmerer leider nicht überzeugen“, so Beisiegel.

Mittelfristig, so hofft er, würden die Anschaffungskosten deutlich fallen. Fachleute des japanischen Autohändlers Mitsubishi hätten ihm gesagt, dass Ende 2012 rund 20 000 Euro für einen Neuwagen realistisch seien.