Mülheim. .

Der Skandal um sexuellen Missbrauch hat nicht nur das lange Schweigen beendet, er hat auch eine Diskussion über Reformen in der katholischen Kirche in Gang gesetzt, auch im Revier, in Mülheim.

Mehr als 250 Gläubige beteiligten sich jetzt an der Reformdebatte, die Kirchenobere und Basis wieder versöhnen soll, in der katholischen Kirche Sankt Barbara in Dümpten. Titel des Dialogs: „AufRuhr Bistum. Kirche gestalten. Jetzt!“.

Nach Gebet und Andacht gaben Luidger Wolterhoff, Vorsitzender des Diözesanrates im Bistum Essen und Wolfgang Feldmann, Vorsitzender des Katholikenrates, das Feuer frei für die Debatte. Auf Wortbeiträge, Kritik und Anregungen brauchten die Initiatoren des Treffens katholischer Christen nicht zu warten. Mehr als 40 Gemeindemitglieder aus ganz Mülheim meldeten sich in der lebhaften, 100-minütigen Debatte zu Wort. Fast alle Redner übten klare, konstruktive Kritik am Zustand ihrer Kirche, zeigten auch Wege zur Verbesserung auf.

Die wichtigsten Aussagen

Zölibat/Priestermangel. Vor dem Hintergrund tausender Missbrauchsfälle und des akuten Priestermangels auch im Bistum Essen lehnten die meisten Redner das Zölibat als nicht mehr zeitgemäß ab. Der Tenor: Die Erfahrungen in der evangelischen Kirche zeigten, dass sich Geistliche trotz Heirat, Frau und Kindern sehr wohl auf ihre beruflichen Aufgaben konzentrieren und diese sehr gut erledigen können. Viele forderten die Priesterweihe für bewährte verheiratete Männer.

Geschiedene. An der Basis gibt es kaum Verständnis dafür, dass Geschiedene und/oder wiederverheiratete Männer nicht Priester werden dürfen und ihnen der Zugang zu den Sakramenten verwehrt wird. Der Vorstand der Kolpingfamilie forderte „mehr Berücksichtigung der spezifischen Lebensformen und gesellschaftlichen Gegebenheiten einer Region bei der Festlegung von Verhaltensgrundsätzen“, mehr Toleranz und Offenheit bei den Themen Sexualität, Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsberatung.

Alte Riten. Viele Redner lehnten die Wiedereinführung alter Riten – lateinische Messe und Fürbitten am Karfreitag – in den Gottesdienst ab. Deutlich wurde wieder der Vorstand der Kolpingfamilie mit ihren 560 Mitgliedern: „Warum werden durch die Wiederaufnahme alter Riten Fortschritte rückgängig gemacht? Das ist für die Mehrheit der Gläubigen unverständlich.“

Mehr Demokratie. Einige Redner plädierten dafür, dass die Gläubigen in den Gemeinden eine Mitsprache bei der Wahl von Bischöfen und Leitungsgremien bekommen. Die Bischöfe sollten aus der Mitte der Gläubigen kommen. Die Kirchenoberen sollten für mehr Transparenz als bisher bei ihren Entscheidungen sorgen, die Kirche von kompetenten Laien verwaltet werden. Die Gemeinden müssten bei Strukturänderungen wie im Bistum Essen mitentscheiden.

Zukunft des Glaubens/Seelsorge. Zahlreiche Katholiken forderten, ihre Kirche müsse sich deutlich mehr Kindern und Jugendlichen zuwenden, Glaubensinhalte „glaubhaft, intensiv und nachhaltig vermitteln“, dafür wesentlich zeitgemäßere, modernere Formen finden. Viele Katholiken wünschen sich auch deutlich mehr Seelsorge. Die Versorgung mit Seelsorgern und ihre Erreichbarkeit sei oft mangelhaft.