Erstmals in der Diskussion um sexuellen Missbrauch unter dem Dach der Kirchen sieht sich nun auch die katholische Stadtkirche mit Vorwürfen konfrontiert: gegen einen ehemaligen, nun 78-jährigen Priester.

Es ist ein kirchenrechtliches Verfahren eingeleitet. Angekündigt ist zudem, die Staatsanwaltschaft über den angezeigten Sachverhalt aus den 70er Jahren in Kenntnis zu setzen, auch wenn die mutmaßliche Tat ohnehin strafrechtlich verjährt wäre. Das Bistum ist nach einem Gespräch mit dem Geistlichen von dessen „Fehlverhalten“ überzeugt.

Wie das Bistum bestätigt, werfen gleich zwei Personen, und das unabhängig voneinander, dem Priester vor, sie sexuell missbraucht zu haben – einmal in den 70er Jahren während seiner Priesterzeit in Holthausen, ein weiteres Mal an einem anderen Einsatzort des Mannes, der seit 2001 in Lüdenscheid lebt. Was ihm genau vorgeworfen wird, sagt das Bistum mit Hinweis auf das laufende kirchenrechtliche Verfahren nicht.

Doch hat es dem Mann bis auf Weiteres untersagt, priesterlich tätig zu sein. Nach der Voruntersuchung, darunter fiel ein Gespräch mit dem 78-Jährigen, liegt die Entscheidung über die Zukunft des Priesters bei der Glaubenskongregation in Rom. Die Richtung scheint klar: „Nach dem Gespräch mit ihm sind wir der Überzeugung, dass der Vorwurf nicht unberechtigt ist“, so Bistumssprecher Ulrich Lota zur WAZ. Hieße, wenn Rom dem folgt: Der 78-Jährige würde aus dem Priesteramt entfernt.

Stadtdechant Michael Janßen selbst hat rund 150 Gemeindegliedern am Sonntagmorgen während des Gottesdienstes in der Holthause­ner Filialkirche der neuen Großgemeinde St. Mariae Geburt von dem Vorwurf berichtet. „Ich habe Betroffenheit, auch Erleichterung wahrgenommen, dass nicht wieder was unter den Tisch gekehrt wird.“ In Gesprächen mit Kirchgängern habe er auch vernommen, dass die dem Priester nachgesagten „Ereignisse dem Hören-Sagen nach geschehen sein sollen“. Janßen selbst lernte den Beschuldigten in seiner Zeit als Kaplan (1989-92) kennen – „als einen hervorragenden Priester“.

Janßen war gestern kein weiterer Missbrauchsverdacht in Mülheim bekannt. Er legt Wert darauf, dass Missbrauch kein rein kirchliches, sondern „ein gesellschaftliches Problem ist“. Das sei aber „keine Entschuldigung“ für die Kirche. Er könne Menschen, die Missbrauch erlebt haben, nur ermutigen, „ihrem Herzen Luft zu machen“. Entweder in einem Gespräch mit der ehrenamtlich im Bistum tätigen Diplom-Theologin oder mit ihm als Stadtdechanten.

Die Missbrauchsthematik wird die Stadtkirche weiter beschäftigen. Dem Bistum liegen nach eigener Aussage aktuell zwei weitere Hinweise auf möglichen Missbrauch vor. Sie sind noch zu prüfen.