Mülheim. Die Zukunft des maroden Hauses am Eppinghofer Bruch 106 in Mülheim ist weiter ungewiss. Helmut Hermann sähe es am liebsten, wenn das “Winkhaus“ unter Denkmalschutz gestellt werde. Es sei das einzige ehemalige Lager der Nazis, das noch steht.
„Das Haus am Eppinghofer Bruch 106 sollte unter Denkmalschutz gestellt werden.“ Mit diesem Vorschlag reagiert der Mülheimer Helmut Hermann auf den WAZ-Bericht über die ungewisse Zukunft des maroden Gebäudes. Und zwar nicht, weil das ehemalige „Winkhaus“ architektonisch besonders wertvoll wäre, sondern wegen dessen historischer Bedeutung: Während der Nazi-Zeit, so Hermann, diente das dicht an der Bahnstrecke gelegene Haus als „Arbeitserziehungslager“. Hier waren Zwangsarbeiter untergebracht, die für die Reichsbahn die Gleise in Ordnung halten mussten.
Der Hinweis kommt von einem Mann, der es wissen muss: Helmut Hermann, inzwischen 82 Jahre alt, engagiert sich als Kreisvorsitzender der VVN/BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten) seit Jahrzehnten für die Aufarbeitung der braunen Vergangenheit. 2003 wurde ihm die Ehrenspange der Stadt Mülheim überreicht. In der unter anderem von ihm erstellten Ausstellung und Begleitbroschüre „Widerstand und Verfolgung: 1933 bis 1945 in Mülheim an der Ruhr“ ist das besagte Haus am Eppinghofer Bruch, Ecke Leybankstraße als früherer Lagerstandort dokumentiert. Ebenso auf der Internetseite www.muelheim-ruhr-1933-45.de. Untergebracht waren die Gefangenen im flacheren Anbau, der bis heute besteht.
Stadt Mülheim bezweifelt Brandschutz des Gebäudes
Wie lange noch, ist allerdings unklar. Derzeit streiten, wie berichtet, der jetzige Hauseigentümer und die Stadt Mülheim darüber, ob das Gebäude überhaupt noch Bestandsschutz genießt. Die Verwaltung meint: nein. Sie verweist auf den miserablen baulichen Zustand des jahrelang ungenutzten Anwesens und wollte dem Besitzer bereits die Wohnnutzung verbieten.
Der Eigentümer, ein 40-jähriger Mann aus Hagen, der das Haus 2009 im Wege einer Zwangsversteigerung erwarb, übernachtet dort gelegentlich und plante eigentlich den Umbau zu einer Art von privatem Sport- und Jugendzentrum. Allerdings scheint ihm mittlerweile das Geld knapp geworden zu sein, so dass eine erneute Versteigerung droht.
Vergangenheit des Gebäudes soll in Erinnerung bleiben
Wer auch immer künftig Herr im Hause sein sollte: Der erklärte Antifaschist Helmut Hermann plädiert dafür, dass es erhalten bleibt. „Es sollte renoviert werden, damit die Vergangenheit durch einen Abriss nicht in Vergessenheit gerät.“ Die Aufarbeitung der NS-Zeit sei nach wie vor dringend erforderlich.
Ob die Adresse Eppinghofer Bruch 106 allerdings tatsächlich eine Chance hat, in die Denkmalliste der Stadt Mülheim aufgenommen zu werden, ist zweifelhaft. Grundsätzlich könne zwar jeder einen solchen Antrag stellen, erklärt Ursula von Straalen, Mitarbeiterin der Unteren Denkmalbehörde, möglichst mit einigen Fotos vom Objekt.
Erinnerungswert könnte auch mit einer Gedenktafel festgehalten werden
Jedoch: „Denkmalschutz ist immer auch an eine schützenswerte Bausubstanz gebunden. Falls es um einen reinen Erinnerungswert geht, könnte man auch mit einer Gedenktafel arbeiten.“ So, wie sie beispielsweise am alten Friedhof installiert wurde oder am Platz der ehemaligen Synagoge: „An dieser Stelle stand...“
Eine Gedenktafel? Schön und gut, findet Helmut Hermann, fragt aber sogleich zurück: „Was geschieht dann mit dem Gebäude?“ Nach Recherchen eines Arbeitskreises zum Thema bestanden in der Zeit zwischen 1933 und 1945 mindestens 55 Lager in Mülheim: für Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter, auch für KZ-Häftlinge... „Dieses Haus“, so Hermann, „ ist das einzige ehemalige Lager der Nazis, das noch steht. Darum ist es so wichtig, dass es nicht verschwindet.“