Mülheim. .

Ab Juli steigt die Medl in den Stromvertrieb ein. Sie wird mit dem Tarif „Doppelwatt“ Gas und Strom im Doppelpack anbieten. Rund 19.000 Privathaushalten will der Mülheimer Energiedienstleister sein Angebot kommende Woche schriftlich unterbreiten.

Die WAZ beantwortet vor dem Start des „Doppelwatt“-Tarifs die wichtigsten Fragen.

Der Tarif

„Doppelwatt“ ist nur als Kombi-Produkt zu bekommen. Wer sich dafür entscheidet, bezieht sowohl Gas als auch Strom von der Medl. Das Gas kostet dabei so viel wie im vorhandenen Medl-Tarif „Behaglich warm“: 5,99 Cent/kWh plus Grundpreis (0,92 Cent pro Kilowatt eingestellte Nennwärmebelastung des Gasgerätes und Monat). Der Grundpreis allerdings entfällt für diejenigen, die der Medl nach Vertragsabschluss ein Jahr lang die Treue halten (einmaliger Treuebonus). Den Strombezug bietet die Medl in drei Formaten an: Im Tarif S (1251-2500 kWh Jahresverbrauch) kostet die Kilowattstunde 25 Cent/kWh, im Tarif M (2501-3500 kWh) 23,50 Cent/kWh und im Tarif L (mehr als 3500 kWh) 23 Cent/kWh. Achtung: Die Medl wirbt mit einem Festpreis bis zum 30. Juni 2012, dieser gilt aber nur für den Nettoarbeitspreis von Strom und Gas. Heißt: Höhere staatliche Steuern, Abgaben und Umlagen, die zum Beispiel gut 40 % des Strompreises ausmachen, kann die Medl als Grund für eine Tariferhöhung anführen.

Geschäftsbedingungen

Verbraucherfreundlich ist, dass es keine Mindestvertragslaufzeit gibt. Eine Kündigung ist mit einer Frist von vier Wochen zu jedem Zeitpunkt möglich. Wer allerdings vor Ablauf eines Jahres kündigt, verliert seinen Anspruch auf den Treuebonus.

Wer kann den Tarif buchen?

Das Angebot ist auf Besitzer von Ein- und Zweifamilienhäuser bzw. auf Haushalte mit Gasetagenheizung beschränkt (Leistung 1-45 KW), denn: Nur dort gibt es potenziell für Strom und Gas einen einzigen Vertragspartner. Die Medl schreibt 19 000 Haushalte in Mülheim an, auch ehemalige Kunden, die zu einem Wettbewerber gewechselt sind.

Der Strommix

Den Strom, den die Medl den Privathaushalten anbietet, wird sie sich frei am Markt beschaffen, er stammt nicht aus der Eigenproduktion der Blockheizkraftwerke. Klar ist: Es wird nicht 100 % Ökostrom sein. Woher der Strom kommt, den der Kunde kauft, wird sich erst auf der Jahresrechnung zeigen, wenn die Medl ihrer Pflicht nachkommt, den Strommix auszuweisen.

Konkurrenz zum RWE

Die Medl ist zu 51 % im Besitz der Stadt, die anderen 49 % hat im September 2010 RWE von Rhenag übernommen. So macht die Medl beim Strom nun ihrem eigenen Gesellschafter Konkurrenz. Auch wenn dieser zumindest in Teilen vom Ertrag profitieren wird, verwundert dies schon. Zwar ist der Einstieg in den Stromvertrieb schon in den Gesellschafterverträgen zur Gründung der Medl als Option festgeschrieben. Dass es dazu nun tatsächlich kommt, ist wohl in einem Deal zwischen Stadt und RWE aus September 2010 begründet. Die Stadt verzichtete dereinst auf ihre Option, RWE nicht bei der Medl einsteigen zu lassen und selbst den 49 %-Anteil zu übernehmen. Dafür ließ sie sich nach WAZ-Informationen zusichern, alleine über den Wirtschaftsplan entscheiden zu dürfen. Heißt: Selbst wenn RWE den Einstieg der Medl in den Stromvertrieb nicht wollte – der Konzern hatte keine Möglichkeit, ein Veto einzulegen.

RWE deutlich unterboten
Bei einem Jahresverbrauch von 4000 kWh Strom, klassisch für Vier-Personen-Haushalte, ist die Medl nun deutlich günstiger als RWE, lässt man die Kopplung des Strom- an das Gasangebot der Medl außer Acht. Bei der Medl werden für besagten Verbrauch 920 Euro fällig, RWE verlangt 1068,62 Euro im Klassik-Tarif und 1030,54 Euro im Tarif „Pur Strom“. Insgesamt kann sich der Medl-Strom im Preisvergleich durchaus mit den günstigen Angeboten messen, die auf Kaution und Vorauskasse verzichten. Die Medl ist hier bei besagtem Verbrauch lediglich 30 Euro teurer im Jahr als die Stadtwerke Düsseldorf als momentan günstigster Anbieter.

Lohnenswert für Gaskunden der Medl?

Ein Vier-Personen-Haushalt im Reihenhaus mit Jahresverbrauch von 20 000 kWh Gas zahlt im Medl-Tarif „Behaglich warm“ derzeit 1341,52 Euro. Wechselt er zum neuen Kombi-Produkt „Doppelwatt“ für Strom und Gas und bleibt ein Jahr lang dabei, spart er den Grundpreis. Dieser berechnet sich in Abhängigkeit der Nennwärmebelastung des Gasgerätes (die entsprechende kW-Anzahl des Gasanschlusses kann man seiner Gasrechnung entnehmen). Bei angenommener Kesselleistung von 12,5 kW, diese wird bei Verivox.de als Standard verwendet, ließen sich so 138 Euro sparen. Bei Gaskunden, die bis heute der Medl treu sind und einen Wechsel zu einem preisgünstigeren Gasversorger ohnehin ausschließen, würden diese 138 Euro praktisch die Überlegung schmackhaft machen, ihrem bisherigen Stromanbieter zu kündigen. Legt man hier wieder einen Musterhaushalt mit vier Personen und einem Jahresverbrauch von 4000 kWh zugrunde, ergibt sich: Rein für den Strom würde die Medl 920 Euro berechnen, durch den Bonus von 138 Euro wäre man bei 782 Euro. So günstig ist derzeit keiner der Stromanbieter, die auf Kaution und Vorauskasse verzichten.

Lohnenswert für Wechselkunden?

Ein klassischer Vier-Personen-Haushalt im Reihenhaus verbraucht laut dem Verbraucherportal Verivox.de jährlich 20 000 kWh Gas und 4000 kWh Strom. Im neuen Medl-Tarif „Doppelwatt“ würde das Gas mit 1341,52 Euro zu Buche schlagen, der Strom mit 920 Euro. Kunden, die ein Jahr lang beim Tarif bleiben, erhalten bei einer installierten Heizkesselleistung von 12,5 kW einen Treuebonus von 138 Euro. Auf der Jahresrechnung stünde schließlich eine Forderung von 2123,52 Euro, bleiben die Preise stabil.

Bekommt man für dieses Geld die gleiche Energiemenge bei Wettbewerbern? Die WAZ hat nachgerechnet, dabei aber Anbieter nicht berücksichtigt, die Vorauszahlung oder Kaution verlangen (von solchen Tarifen raten Verbraucherberater ab, siehe „Teldafax“) bzw. deren Vertragsbedingungen nicht sonderlich gut von Verivox.de bewertet sind. So liegt das „günstigste“ Gasangebot derzeit bei 1064,53 Euro (Anbieter: 1,2,3 energy; 12 Monate Vertragslaufzeit), das günstigste Stromangebot bei 857,24 Euro (eprimo; ein Monat). Macht zusammen: 1921,77 Euro. Sprich: Kunden, die die Medl bereits verlassen haben, werden wohl auch nicht so schnell zurückkehren.