Mülheim. Für Ihren Auftritt erhielt die Star-Klarinettistin Sharon Kam großen Beifall. Sie war der Glanzpunkt eines musikalischen Abends in Mülheim. Die Artur-Rubinstein-Philarmonie hingegen erntete lediglich stehende Ovationen für Tschaikowskys Vierte.

Die Blechbläser dröhnen. Laut, fast schon zu laut klingt das markante Motiv aus dem ersten Satz von Tschaikowskys vierter Sinfonie. Sie ist ein anstrengendes, fast martialisches Werk, bei dem es ordentlich auf die Ohren gibt. Daniel Raiskin und die Artur-Rubinstein-Philharmonie haben sich viel vorgenommen mit diesem Musik-Monstrum, das einen riesigen Orchesterapparat und eine perfekte Leitung durch den Dirigenten voraussetzt. Trotzdem gilt der viersätzigen Sinfonie am Mittwochabend (30. März) nicht die Aufmerksamkeit: Es ist die Klarinettistin Sharon Kam, die für eine volle Mülheimer Stadthalle sorgt.

Wie eine elegante Diva, eine Grande Dame der Klassik betritt die junge Frau die Bühne, in einem tiefblauen Abendkleid. Carl Maria von Webers 2. Klarinettenkonzert in Es-Dur ist ein Paradestück für Klarinettisten. Es bietet genug Spielraum, um der gesamten Branche zu zeigen, wo der virtuose Hammer hängt. Einige Takte muss Kam warten, bis ihr erster Einsatz kommt. Doch sie bleibt nicht einfach steif auf der Bühne stehen: Mit hektischen Kopfbewegungen geht sie die Musik innerlich mit, blickt das Orchester an, reißt die Augen auf, schaut ins Publikum. Denkt man sich den Klang der Musik weg, sehen ihre nervösen Zuckungen unfreiwillig komisch aus.

Jeder lang ausgehaltene Ton, jeder Lauf gelingt

Doch wenn Kam ihr Spiel beginnt, wird dem Zuhörer schnell klar, warum sie in den letzten Jahren mit internationalen Auszeichnungen nahezu überhäuft worden ist: Sie lebt die Musik, schwingt ihren Körper, verleiht ihrem Spiel Dramatik und Glanz. Vor allem der zweite Satz von Webers Klarinettenkonzert trieft nur so vor romantischen Sehnsuchts-Motiven. Das Schöne daran: Es klingt nicht überladen, sondern fein nuanciert. Auch wenn Kam längst zur Spitze der internationalen Klassikszene gehört, ist die Spannung im Saal deutlich zu spüren: Kommt da ein Kiekser? Sitzt da ein Ton nicht? Die kurze Antwort: Nein. Jeder lang ausgehaltene Ton, jeder Lauf gelingt. Kam erntet großen Applaus aus dem Publikum, verbeugt sich charmant, gibt eine kurze Zugabe.

Der Glanzpunkt des Abends, keine Frage. Bei der Ouvertüre zu Mozarts „Don Giovanni“ hingegen bleibt die Artur-Rubinstein-Philharmonie verhalten. Zu wenig Dramatik und ein zu geringes Tempo lassen den Einstieg zur „Oper der Opern“ belanglos vor sich hinplätschern. Großen Beifall gibt es hier nicht, es scheint, als müsse das Publikum erst noch warm werden mit diesem Orchester – was am Ende gelingt: Tosender Applaus für Tschaikowskys Vierte, großer Beifall, stehende Ovationen, zwei Zugaben.