Es war wohl eine schwere Geburt. 14 lange Jahre brauchte Johannes Brahms (1833-1897) für die Symphonie Nr. 1 c-Moll op. 68, 14 Jahre von den ersten Skizzen bis zur Uraufführung 1876 in Karlsruhe.

Doch dann waren Publikum und Kritik, selten genug, unisono vollkommen begeistert. Auch die 500 Besucher des Symphoniekonzerts in der Mülheimer Stadthalle spendeten den Bergischen Symphonikern lang anhaltenden, verdienten Applaus für ihre virtuose, werkgetreue Version.

Das perfekt harmonische Zusammenspiel von Streichern, Bläsern, das das gemeinsame Symphonieorchester der Städte Solingen und Remscheid am Mittwochabend bot, ließ nur noch erahnen, wie viel Mühe und Anstrengung Brahms für sein erstes symphonisches Werk verwandte. Einerseits stand der Hamburger Meister lange im Schatten von Ludwig van Beethoven und seiner Symphonik. Andererseits galt Brahms seinen Zeitgenossen schon zu Lebzeiten zwar als gebildeter, genialer Komponist, aber auch als verschlossener, oft kauziger und grantiger Mensch, der zu großer Akribie und überhöhter Selbstkritik neigte. So landeten viele Entwürfe im Papierkorb.

Erst seine anhaltende Popularität gab Brahms den Mut, die größte Herausforderung seiner Karriere, die Komposition einer Symphonie, zu meistern. Nach mehreren Anläufen gelang Brahms das komplexe, dennoch ungemein kompakte Orchesterwerk. Rein formal folgt auch Brahms Symphonie Nr. 1 c-Moll op. 68 der klassischen viersätzigen Abfolge „Un poco sostenuto – Allegro“ (1), „Andante sostenuto“ (2), „Un poco Allegretto e grazioso“ (3) und „Adagio – Più Andante – Allegro non troppo ma con brio – Più Allegro“ (4). Aber im Innern der vier Sätze entfaltet Brahms doch seinen eigenen Stil, entwickelt nach und nach eine aufsteigende, chromatische Leiter, sein Leitmotiv. Am Ende gelang ihm eine Hommage an sein Vorbild Beethoven, aber definitiv kein Plagiat.

Zuvor hatten die Bergischen Symphoniker unter Dirigent Peter Kuhn ähnlich kongenial Ernst von Dohnanyis (1877-1960) „Variationen über ein Kinderlied op. 25“ interpretiert – ein Werk, das gut in den Advent passt. Denn hier benutzt der ungarische Komponist, der bis in die 1940er Jahre im Wechsel in Budapest und Berlin arbeitete, das Weihnachtslied „Morgen kommt der Weihnachtsmann“ als Leitmotiv, das Vladimir Stoupel, Solist am Flügel, in vielen Klangkaskaden meisterhaft variierte. Die begleitenden Bergischen Symphoniker webten die Tonfacetten des Pianisten harmonisch in ein symphonisches Kleid ein.

Zum Auftakt bot das Orchester, 1995 gegründet und mit mehr als 160 bundesweiten Konzerten pro Jahr sehr erfolgreich, die Ouvertüre zu „Titus“. Die Einleitung zur letzten Oper (1791) von Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) versprühte die gewohnte Dynamik, den Optimismus, den Wiener Charme des Meisters. Fazit: Sicher eins der besten Symphoniekonzerte, das Mülheim in der laufenden Saison gehört hat.

Termin-Information: Das nächste Konzert der Reihe steht am Donnerstag, 20. Januar 2011, an. Dann gastiert die Neue Philharmonie Westfalen mit Dirigent Heiko Mathias Förster und Solist Sergey Krylov (Violine) in der Stadthalle. Sie spielen Franz Liszt, Sergej Prokofjew und Antonín Dvořák.