Mülheim. . Die “Fünte“ hatte viele Gesichter – sie war Bergmannskneipe, Nobelrestaurant, Ausstellungsraum. In einer Führung informierten sich 20 Besucher über das Heißener Haus, das sich seit 600 Jahren in Besitz der Familie Bruns befindet.
Etwas unscheinbar wirkt das kleine Fachwerkhaus an der Gracht 209. An ihm brausen direkt die Autos vorbei, die auf der Essener Straße, auch bekannt als B1, gen Zentrum oder A40 fahren. Wie in einer Senke gelegen, erinnert heute nichts mehr an die Geschichte des Ortes, in dem sich das historische Gasthaus „Fünte“ befindet. „Früher war es eine Bergmannskneipe, dann mal französisches Nobelrestaurant, dann wiederum wechselnde Pächter, Leerstand“, zählt Frank Bruns die nahe Vergangenheit auf. Den rund 20 Besuchern seiner Führung sind diese verschiedenen Gesichter der „Fünte“ ein Begriff, aber Bruns, in dessen Familie das Haus seit 600 Jahren in Besitz ist, geht noch weiter: bis an die Quelle, den Ursprung.
Blick in die Fünte
Das Wort Quelle ist in diesem Zusammenhang doppeldeutig zu sehen. Etwa 10 vor Christus richteten römische Soldaten an dieser Stelle einen Lagerplatz ein, weil sie eine Wasserquelle gefunden hatten. „Das war hier damals schon ein historischer Punkt. Die Quelle war mal im Keller, ist heute aber versiegt“, berichtet Bruns seinen Zuhörern in der Mölmschen Stube des Hauses. „Wer das Wasser beherrscht, hatte die Kontrolle“, erzählt der 61-Jährige über die Bedeutung der Quelle auf dem damaligen Heer- und Handelsweg, der eine Verlängerung des alten Hellweges darstellte.
Römer bauten den Kontrollpunkt aus
Da der Betrieb auf der „Straße“ immer weiter zugenommen hätte, hätten die Römer den Kontrollpunkt ausgebaut. „Man baute einen Graben, der später mit einem Gewölbe geschlossen wurde“, weiß Bruns. Aber anstatt weiter zu erzählen, geht er mit der Gruppe in den Keller des Hauses. Neben lauter Spinnenweben und dem modrigen Geruch ist der Gang nichts für große Leute. „Aufpassen, sonst stoßen Sie sich den Kopf“, ruft der 61-Jährige, der selber in dem Haus aufgewachsen ist.
Unten angekommen, deutet er auf die Stelle, wo früher die Quelle entsprang. „Fontis“ hätten die Römer ihn genannt, nachdem 9 vor Christus die erste festere Behausung entstanden sei. „Das Heerlager hat sich später aber wieder aufgelöst“, sagt er. Damit ist die ferne Geschichte jedoch noch nicht zu Ende. Während des deutsch-spanischen Krieges innerhalb des 30-Jährigen Krieges machten spanische und versprengte niederländische Truppen Halt an der „Fünte“. Auf sie geht auch der mölmsche Name des Hauses zurück: „Die Spanier nannten den Ort ,la fuente‘, die Quelle. Daraus wurde später in unserer Mundart Fünte“, berichtet Frank Bruns. Seine Zuhörer lachen.
Postkutschen-Station
Die Führung geht weiter nach draußen, hinter das Fachwerkhaus, das sich nach den Spaniern zu einer Postkutschen-Station entwickelte. Am Weg zwischen dem Haus und dem ehemaligen Brauhaus erinnert ein Hinweisschild an einen Geheimgang während des 30-Jährigen Krieges. „Gab es den wirklich?“, fragt ein älterer Herr. Bruns bejaht: „Der Tunnel lag zwischen der Fünte und dem Vorgänger der heutigen Gnadenkirche. Den Zugang haben wir im Keller des alten Brauhauses gefunden, er ist aber nur noch wenige Meter offen.“
Um die „Fünte“ ranken aber auch Legenden, die Romanautoren bereits in ihren Texten aufgegriffen haben. Auch Frank Bruns scheint an eine zu glauben: „Die spanischen Truppen sollen gegen 1647 eine Marketenderin dabei gehabt haben, in die sich ein heimischer Bauernjunge unsterblich verliebt hat.“ Marketenderinnen versorgten die Soldaten, fungierten aber auch teils als Prostituierte während dieser Zeit. Als sich besagter Bauernjunge, so Bruns, zu seiner Herzensdame schleichen wollte, sei er entdeckt worden, für den Feind gehalten und bei einem Handgemenge erstochen worden.
Das Phantom der Fünte
„Sie belegte den Ort mit einem Flucht, nahm sich das Leben und soll seither auf dem Gelände herumgeistern“, sagt der 61-Jährige. Für ihn keine abstruse Geschichte: „Wir haben schon öfters in der ersten Etage Schritte gehört, der vermutete Landstreicher war es aber nicht.“ Er nennt es „das Phantom der Fünte“, sein Cousin halte davon aber nichts und behaupte: „Wenn, dann wäre datt die Oma.“