Mülheim. . Andreas Spring läuft so oft es geht barfuß - nur Minusgrade und der Dresscode im Büro halten ihn zeitweise davon ab. Im Interview erzählt er, welche Vorteile das Laufen ohne Schuhe für ihn hat und welche Risiken es birgt.
Sollte Ihnen an einem Wochenende unter den kahlen Winterbäumen im Raffelbergpark ein schwerer Mann ohne Schuhe begegnen, so ist das mit einiger Wahrscheinlichkeit Andreas Spring. Es gab Zeiten, die der heute 44-Jährige komplett barfuß durchlebte.
Das Thermometer zeigt 4,5 Grad, die Wege und Wiesen sind aufgeweicht — warum tragen Sie keine Schuhe?
Andreas Spring: Aus Gesundheits- und Wellnessgründen. Ich fühle mich so besser. Außerdem entlastet Barfußlaufen meine Gelenke.
Wie lange praktizieren Sie das schon?
Seit etwa 20 Jahren von Frühling bis Herbst, seit ca. zehn Jahren auch im Winter. Ich habe festgestellt, es geht auch bei niedrigen Temperaturen, wenn man sich ansonsten warm einpackt.
Wo liegt die Grenze?
Bei Minusgraden ziehe ich in der Regel Schuhe an. Vor allem, wenn es dazu noch feucht ist. Bei trockenem Frost bin ich aber auch schon barfuß gelaufen.
Wann waren Sie eigentlich zuletzt erkältet?
Dass es mich richtig erwischt hat, ist lange her. Barfußlaufen hat einen gewissen Abhärtungseffekt, das merke ich. Wenn andere mit einer Grippe flach liegen, wird es bei mir meist nur ein leichter Schnupfen.
Und wann sind Sie das letzte Mal in eine Scherbe oder eine Wespe getreten?
Schon lange nicht mehr. Häufiger kommt es vor, dass ich mir den Zeh am Hinterrad eines Einkaufswagens stoße.
Steigen Ihnen oft Leute auf die Zehen?
Nein. Die meisten sehen das und sind vorsichtig.
Auch, wenn Sie ins Gedränge geraten? Etwa bei Konzerten oder Festivals?
Ich gehe eher zu Veranstaltungen, die barfußfreundlich sind. Open-Airs oder auch Goa-Partys.
Läuft man mit bloßen Füßen anders durch die Welt?
Eindeutig ja. Ich schaue immer genau auf die nächsten Meter des Weges vor mir, damit ich einen Bogen um Scherben oder die berühmten Hundehaufen machen kann. Außerdem entwickelt man eine andere Gehtechnik: Man setzt den Fuß nicht, wie in Schuhen, mit der Ferse auf, sondern mit der ganzen Sohle. Und rollt dann ab.
Sie tragen Nagellack und Silberringe, das fällt auf. Wie pflegen Sie Ihre Füße?
Gelegentlich entferne ich Hornhaut an den Seiten, damit sie nicht reißt, denn das ist schmerzhaft. Wenn es kalt ist, reibe ich meine Füße mit Melkfett ein. Das schützt und hat einen Feuchtigkeitseffekt.
Zu welchen Gelegenheiten tragen Sie denn überhaupt Schuhe?
Jeden Tag aus beruflichen Gründen. Ich arbeite seit etwa zehn Jahren in einem Callcenter, inzwischen als Teamleiter, und bin dort unter anderem für die Mitarbeiterplanung zuständig. Im Büro gilt ein gewisser Dresscode, zwar kein allzu strenger mit Anzug und Krawatte, aber man sollte schon normale Kleidung tragen und Schuhe. Das mache ich auch. Auf dem Weg zum Job und zurück laufe ich allerdings barfuß. Vielmehr, ich fahre: mit Bus und Bahn.
Wie sind Sie zum Vorstellungsgespräch gegangen?
In Sandalen. Das war aber kein Problem. Damals habe ich noch im Bauwagencamp gewohnt, das wussten meine Arbeitgeber und auch, dass ich ein bunter Vogel bin. Für sie war und ist das okay.
2001 stand Ihr Name häufiger in der Zeitung: Sie traten damals als Sprecher der Wagenburgler an der Ruhrorter Straße auf und hatten gegen die Räumung des Geländes gerichtlich geklagt. Letztlich erfolglos. Wie ging es danach weiter?
Ich hatte ja schon meinen Job und bin in eine ganz normale Wohnung in Speldorf gezogen, mit fließend Wasser, Heizung und Strom. Aber die dreieinhalb Jahre, in denen ich im Bauwagen gewohnt habe, möchte ich nicht missen. Wir haben eine alternative Lebensform erprobt. Und ich bin damals wirklich rund um die Uhr barfuß gelaufen. Heute muss ich das auf meine Freizeit beschränken.