Gegen den andauernden Arbeitskampf in Kindertagesstätten regen sich Proteste entnervter Eltern. Die Gewerkschaft Verdi bittet "weiterhin" um Verständnis. Höchstwahrscheinlich wird die Stadt Mülheim für Streiktage nicht nur das Essensgeld erstatten, sondern auch die Kita-Gebühren.

Zwei plakativ verhüllte Pkw parken am Priesters Hof, gleich gegenüber der Kindertagesstätte: „EUER STREIK GEFÄHRDET UNSERE EXISTENZ VERANTWOTUNGSLOS”. Mitten im Wort vermisst man ein „R”, doch den Eltern, die auf diese Weise vor der Villa Kunterbunt protestieren, fehlt vielmehr etwas anderes: Verständnis für den seit Anfang Mai immer wieder aufblitzenden Arbeitskampf der Erzieher/innen in städtischen Einrichtungen.

„Die Länge des Streiks macht uns wütend”, erklärt Sabine Weinschenk, die die Aktion initiiert hat, „und die Maßlosigkeit.” Der Ärger der Eltern wachse. Wenn am Montag und Dienstag erneut städtische Kitas geschlossen bleiben, ist dies der 12. und 13. Tag, an dem zumeist berufstätige Mütter den Alltag kurzfristig umorganisieren müssen.

Sabine Weinschenk ist in einem Ingenieurbüro tätig. Sie hat ihre fünfjährige Tochter in den vergangenen Wochen schon mit an den Arbeitsplatz genommen oder einen Babysitter engagiert oder in eine Notgruppe gegeben, „wenn diese in ihrem Kindergarten eingerichtet war. In eine fremde Gruppe würde sie nicht gehen.” Selber zu Hause zu bleiben, könne sie sich nicht leisten: „Ich bin selbstständig. Wenn ich nicht arbeite, bekomme ich auch kein Geld.”

Verdienstausfall: Das gelte für viele Mütter, deren Kinder die Villa Kunterbunt besuchen. Daher der starke Vorwurf: Existenzgefährdung. Die Kita am Priesters Hof ist integrativ. 18 von 68 Kindern haben irgendeine Art von Behinderung. Für sie, auch darauf weist Sabine Weinschenk hin, findet sich noch schwieriger eine Ersatzbetreuung.

Für die Gewerkschaft Verdi, die einen Tarifvertrag zur betrieblichen Gesundheitsförderung erstreiten will, führt nach wie vor kein Weg am Arbeitskampf vorbei. „Wir bitten die Eltern weiterhin um Verständnis”, heißt es in einer Mitteilung, die erneute Streiks ankündigt. Weiterhin?

Täglich riefen Mütter oder Väter bei Verdi an, erklärt Ute Kellert, Fachbereichssekretärin im Bezirk Mülheim-Oberhausen. „Mit unterschiedlichen Emotionen. Viele bestärken uns. Aber es gibt natürlich auch welche, die sehr sauer sind.” Auch dies könne man verstehen. „Wir sagen ihnen aber, es müsste doch auch in ihrem Interesse liegen, gesunde Erzieherinnen zu haben.”

Was ohne Zweifel in ihrem Interesse liegt: eine Rückzahlung der Kita-Gebühren für die vom Streik betroffenen Tage. Bislang sagte die Stadt offiziell nur zu, das Essengeld zu erstatten. Nun hat der Hauptausschuss dem Rat empfohlen, den Eltern auch bei den Beiträgen entgegen zu kommen. Von „großer Einigkeit bei allen Fraktionen” berichtet Jugenddezernent Peter Vermeulen. Er betont, dass eine Erstattung auf „Kulanz” beruhe: „Wir können es nur machen, weil wir nicht unter Nothaushaltsrecht stehen.”

Einen Anspruch auf Rückzahlung der Kita-Beiträge hätten die Eltern nicht. „Wir brauchen allerdings im Streikfall auch keine Gehälter zu zahlen”, so Vermeulen, „und haben ausgerechnet, dass der Stadt durch die Gebührenrückerstattung kein wirtschaftlicher Schaden entsteht, sofern die Streikbeteiligung größer ist als 24 Prozent.” Bislang lag sie, laut Verdi-Angaben, bei etwa 50 Prozent.

Falls der Rat am 18. Juni positiv entscheidet – wann können Eltern mit der Rück-Überweisung rechnen? „Wir zahlen erst, wenn der Streik abgeschlossen ist”, erklärt Vermeulen. Ab Montagabend wollen die Tarifparteien wieder miteinander reden.

Notbetreuung

Am 15. und 16. Juni, also kommenden Montag und Dienstag, werden erneut alle 38 städtischen Kindertagesstätten bestreikt. In den folgenden 13 Einrichtungen richtet die Stadt wieder einen Notdienst ein: Aktienstr. 218, Bülowstr. 37, Dickswall 91, Friedrich-Karl-Str. 45, Kaiser-Wilhelm-Str. 29, Kämpchenstr. 75, Priesters Hof 38, Schmale Straße, Sellerbeckstr. 42, Solinger Str. 18, Theodor-Suhnel-Str. 81, Uhlandstr. 63 b und Viehgasse 17.