Essen..

Kirchen und Wohlfahrtsverbände halten Hartz IV für zu niedrig, fordern Mindestlöhne und geißeln regelmäßig Auswüchse in der Leiharbeit. Deshalb werden Awo, Diakonie und Caritas auch nicht gern gefragt, warum sie dann eigene Leiharbeitsfirmen vor allem in der Pflege betreiben. Einig sind sich ihre Dachverbände nur, Leiharbeiter nur in Ausnahmesituationen einzusetzen. Doch auch daran hält sich die Basis nicht überall. Die Awo Essen hat sogar beschlossen, Altenpfleger grundsätzlich nur noch als Leiharbeiter einzustellen.

Astrid K. (Name geändert) hat schon ihre Ausbildung zur Pflegefachkraft bei der Awo Essen absolviert. Man war of­fenbar zufrieden mit ihr und gab ihr eine feste Stelle. Allerdings gleich in der Awo Service GmbH, der eigenen Leiharbeitsfirma. Dort verdient sie nach eigener Aussage zehn Prozent weniger als ihre Kollegen vom Kreisverband, mit denen sie täglich zusammenarbeitet. „Ein Pflegehelfer im Kreisverband verdient etwa so viel wie ich als examinierte Kraft bei der Awo Service.“

Doch das ist nicht der einzige Grund, der sie von einer „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ in der Awo sprechen lässt. „Wir Leiharbeiter bekommen geringere Feiertagszuschläge, keine Geriatrie-Zulage und weniger Weihnachtsgeld, wenn wir länger krank sind.“ Das deckt sich mit Vergleichen der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Aus Beispielen ergeben sich Unterschiede bei Pflegehelfern von mehr als 17 Prozent. „Je niedriger die Qualifikation, desto größer die Entgeltunterschiede”, sagt Gereon Falck, Verdi-Sekretär für Wohlfahrtsdienste.

Dabei hat sich der Awo-Bundesverband gerade erst den Kampf gegen Lohndumping durch Leiharbeit auf die Fahnen geschrieben. „Leiharbeit muss – dem ursprünglichen Ziel folgend – auf die Abdeckung von Auftragsspitzen und Auftragsschwankungen konzentriert werden”, heißt es in einem Papier des Awo-Bundesverbands aus diesem Au­gust. Es trägt groteskerweise den Titel „Essener Erklärung”. Darin steht auch: „Leiharbeiter sind den Festangestellten nach dem Grundsatz gleicher Lohn für gleiche Arbeit gleichzustellen.“ Al­lein: Die Awo Essen hält sich an die Essener Awo-Erklärung nicht.

„Das mag ja so sein“, sagt dazu Kreis-Geschäftsführer Wolf Ambauer, „aber wir müssen pragmatisch bleiben.“ Durch die niedrigeren Löhne der Awo Service sichere man Arbeitsplätze, denn: „Der Wettbewerb ist sehr hart.“

Wenn Astrid K. so etwas hört, zieht es ihre Mundwinkel abwärts. „Es geht nur da­rum, am Lohn zu sparen. Da muss man sich fragen, ob die Arbeiterwohlfahrt ihren Na­men noch verdient.” Immerhin sieht sich die Awo der „sozialdemokratischen Arbeiterbewegung verbunden.

Dem Awo-Bundesverband ist das unangenehm. Vorstand Brigitte Döcker sagt: „Werte, die wir öffentlich vertreten, müssen auch nach innen geschützt werden“. Allerdings habe der Bundesverband keine Weisungsbefugnis gegenüber Kreisverbänden. Und: „Das Spannungsverhältnis zwischen Werten und Wettbewerb sehe ich schon.“

Ein weiteres Problem bei Leiharbeit in der Pflege ist, dass die Pfleger in vielen Heimen arbeiten und so kaum engere Beziehungen zu den Be­wohnern bilden können. Aus diesem Grund wollte der vorige Landesarbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) Leiharbeit in der Pflege grundsätzlich verbieten. So berichten etwa Pflegerinnen aus dem Awo-Bezirk Westliches Westfalen, in dem Leiharbeiter nur Arbeitsspitzen ausgleichen sollen, von großen Problemen. Gerade demente Menschen wollten sich nicht jeden Tag von einem anderen Pfleger waschen oder wickeln lassen.

Fester Einsatzort

Bei der Awo Essen ist gerade das nicht das Problem. Die Awo Service schickt ihre Leute in ein bestimmtes Heim und auf eine feste Station. Das ist gut für die Patienten und Astrid K. will auch betont wissen, dass ihr Heim gut geführt sei und sie tatsächlich Zeit habe, sich auch mal länger um einen Bewohner zu kümmern.

Doch wenn die Kräfte einen festen Einsatzort haben, hat ihre Arbeit auch nichts mit Leiharbeit im eigentlichen Sinne zu tun. Geschäftsführer Ambauer spricht deshalb auch von „nichtgewerblicher Ar­beitnehmerüberlassung“. Dass Personal systematisch aus einer betriebseigenen Verleihfirma rekrutiert wird, macht es für den Betriebsrat freilich nur noch schlimmer. Er beklagt „Schlecker-Verhältnisse bei der Awo“.