Mülheim. .
Die Kobra-Jagd in Mülheim kostete vermutlich mehr als 50 000 Euro. Noch ist nicht klar, wer für den Einsatz von Polizei und Feuerwehr aufkommen muss. Das Rechtsamt prüft derweil, ob am Ende dem arbeitslosen Schlangenhalter Kevin O. (19) die Rechnung präsentiert werden kann.
Auch in der Nacht zum Montag hat sich die entwichene Monokel-Kobra nicht durch das evakuierte Mietshaus auf der Heimaterde bewegt. Die Mülheimer Berufsfeuerwehr, die das für acht Wochen geräumte Haus täglich inspizieren will, konnte gestern keine Spuren der 30 cm langen Babyschlange entdecken. Vor Verlassen des Hauses am Sonntag hatte man Mehl ausgestreut, um möglicherweise später Spuren der Schlange in ihr Versteck verfolgen zu können. Auch an den im Haus verteilten doppelseitigen Klebestreifen war das hochgiftige Reptil nicht hängen geblieben. Die Mieter schlafen auswärts, dürfen tagsüber aber in ihre Wohnungen. „Das ist unangenehm und relativ stressig“, sagt Christian Ricken (39) aus dem Erdgeschoss, der bei Verwandten in Essen untergekommen ist.
„Kribbeliges Gefühl“
Auch die zwei Mieter aus dem 1. OG haben das Angebot der Stadt abgelehnt, ins Übergangswohnheim an der Augustastraße in Styrum einzuziehen. Schlangen-Halter Kevin O. wohnt derzeit bei seinem Bruder. Ricken lobte die Einsatzleitung von Stadt und Düsseldorfer Reptilien-Experten: „Sie haben uns sehr gut betreut, haben sehr gründlich gearbeitet und mit uns jeden Schritt vorbesprochen.“ Es hatte unter anderem Überlegungen gegeben, dem Reptil mit Giftgas oder unter Einsatz von Mungos beizukommen. Auch war anfangs angedacht, die Raumluft mittels Kühlaggregaten auf eine Temperatur zu bringen, bei der die Schlange nicht überleben könnte. Ricken übrigens hält sich nur solange wie nötig in der Wohnung auf. „Es ist ein kribbeliges Gefühl, man guckt jedesmal, ob Spuren im Mehl sind.“
Der Kobra-Alarm auf der Heimaterde schlägt allein mit knapp 50 000 Euro für den Einsatz zur Gefahrenabwehr zu Buche. Dabei unberücksichtigt sind Personalkosten für Ortungsteams von THW und Feuerwehr Duisburg; beide haben gegenüber der WAZ angekündigt, der Stadt wohl keine Rechnung stellen zu wollen. Ein unbekannter, aber nicht unbeträchtlicher Rechnungsposten wird der für die Wiederherrichtung des Hauses sein. Wie berichtet hatte die Einsatzleitung die Wohnung des Schlangenhalters und den Spitzboden komplett entkernen lassen.
„Und wenn er im Lotto gewinnt, muss er zahlen“
Die Stadt will sich in Kürze mit dem Eigentümer in Verbindung setzen, um sich abzustimmen. Das Rechtsamt prüft derweil, ob am Ende dem arbeitslosen Schlangenhalter Kevin O. (19) die Rechnung präsentiert werden kann. „Uns ist klar, dass er nicht zahlen kann“, so Wolfgang Fischer vom Ordnungsamt. Aber wenn er Rechnungsadressat sei, werde sich die Forderung nicht ohne Weiteres auflösen lassen, etwa durch Privatinsolvenz. „Und wenn er im Lotto gewinnt, muss er zahlen.“
Auf der Rechnung, von verschiedenen Stellen aufgestellt, dürfte dann zuvorderst stehen: der Einsatz der Mülheimer Feuerwehr. Sie war 45 Stunden mit Equipment im Einsatz, laut Gebührensatzung würden allein dafür 38 500 Euro fällig. Laut Feuerwehr-Chef Burkhard Klein ist aber zunächst zu prüfen, ob der Einsatz laut Feuerschutz- und Hilfeleistungsgesetz nicht vielleicht zu einem Pflichteinsatz zählt und deshalb gar nicht in Rechnung gestellt werden kann.
Hinzu kommt der Einsatz von je zwei Schlangen-Experten der Feuerwehr Düsseldorf für ebenfalls 45 Stunden. Sie wird rund 4000 Euro einfordern. Am Wochenende waren zudem zwei Ortungsteams der Feuerwehr Duisburg und des THW Ratingen mit Endoskopie-Kameras im Einsatz. Beide Organisationen deuteten an, dass sie der Stadt womöglich keine Rechnung stellen und ihren Einsatz unter „Amtshilfe“ verbuchen.
Hab und Gut wurde eingelagert
Drei Mitarbeiter der Baufirma Askom waren seit Donnerstag mit der Entkernung der Wohnung des Schlangenhalters und des Spitzbodens beschäftigt, am Ende fielen rund 50 Arbeitsstunden an – das kostet laut Firma 1800 bis 2000 Euro. Für Abfälle, die bei der Entkernung anfielen, mussten beim Harmuth Containerdienst und bei der MEG insgesamt vier Mischschutt-Container geordert werden. Kosten: rund 1500 Euro.
Das Umzugsunternehmen Müller war zweimal vor Ort: einmal, um das Hab und Gut des Schlangenhalters abzuholen und einzulagern, ein zweites Mal für das Verrücken, Rein- und Raustragen von Möbeln in den beiden anderen Wohnungen. Kosten: 2360 Euro. Das DRK versorgte die Einsatzkräfte und Medienvertreter vor Ort morgens und mittags mit Mahlzeiten, „ein Tausender kommt da sicher zusammen“, so Gesamteinsatzleiter Volker Langendorf. Die Einsatzstunden von täglich sieben DRKlern werde man der Stadt nicht berechnen, zumal Kevin O. wohl ohnehin nicht in der Lage wäre, die Kosten zu tragen. „Das machen wir im Rahmen unserer gemeinschaftlichen Tätigkeit“, so Langendorf.
Wiederherstellung des Wohnhauses
Der Einsatz des Ordnungsamtes, das in den vergangenen Tagen mit je vier bis zehn Mitarbeitern vor Ort war, wird ebenfalls nicht in Rechnung gestellt. Die angefallenen Überstunden, so der ebenfalls im Dauereinsatz gewesene Stadtsprecher Volker Wiebels, füllten lediglich die Arbeitszeitkonten der Kollegen. Die Stunden seien durch Freizeit auszugleichen. Auch die Bereitstellung des Notfallbettes im Ev. Krankenhaus verursachte keine Kosten. Das vom Aquazoo Düseldorf bereitgestellte Antiserum ist wieder zurückgebracht worden. Es hätte bei Verbrauch rund 2000 Euro gekostet.
Nicht zuletzt dürfte der Hauseigentümer die Wiederherstellung des Wohnhauses einfordern. Alle Rechnungen gehen zunächst ans Ordnungsamt. Vorbehaltlich der Prüfung des Rechtsamtes geht man dort davon aus, dass danach die Rechnung an den „Verhaltens- und Zustandsstörer“ rausgehe. Das dürfte Kevin O. sein.