Mülheim. .

Noch immer ist die entflohene Kobra aus Mülheim nicht gefunden. Viele Menschen fragen sich: Warum durfte der Mülheimer Kevin O. überhaupt eine derart gefährliche Schlange in seiner Wohnung halten? Die Antwort ist einfach: Weil es die Gesetze in NRW erlauben. SPD und Grüne wollen das ändern.

Bereits am Donnerstag ist eine hochgiftige Monokel-Kobra aus dem Terrarium des 19-jährigen Mülheimers Kevin O. entflohen. Trotz Entkernung der Wohnung konnten Ordnungsamt und Feuerwehr die Schlange bis zum Freitagnachmittag nicht finden. Inzwischen wurde die Suche eingestellt und soll am Samstag fortgesetzt werden. Viele Menschen, die mit Bangen auf eine Erfolgsmeldung der Einsatzkräfte warten, fragen sich nun: Warum durfte Kevin O. eine Giftschlange in einer ganz normalen Mietwohnung halten? Die Antwort ist einfach: In NRW darf jedermann Giftschlangen besitzen – anders als beispielsweise in Berlin oder Hessen. Dort ist die Haltung verboten und wird nur in Ausnahmen, bei entsprechendem Sachkunde-Nachweis, genehmigt.

„Wir verlangen zwei Dinge von den Haltern: Einmal müssen sie sicherstellen, dass die Tiere nicht zur Gefahr für die Öffentlichkeit werden“, sagt Wilhelm Deitermann, Sprecher im NRW-Umweltministerium. „Passiert doch einmal etwas, haftet der Halter komplett – unter anderem für den Einsatz von Polizei und Feuerwehr.“ Ein Verbot von Giftschlangen hält er für nicht notwendig, so wie es die Landesregierung auch schon 2005 in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen beschrieben hat: „Für die Haltung von exotischen Tieren gibt es auf Landesebene keine speziellen Regelungen. Es sind die abstrakten Normen des Tierschutzgesetzes anzuwenden.“

Im Gegensatz zu Hunden, deren Haltung in der Landeshundeverordnung strikt geregelt ist, können Giftschlangen, gefährliche Spinnen und ähnliche Tiere also ohne Auflagen in Wohnungen gehalten werden. Die Kommunen dürften auch die Eignung des Halters nicht überprüfen, sagt Norbert Geldermann vom Essener Ordnungsamt.

Feuerwehrleute bringen am Freitag einen Schrank aus dem Mülheimer Wohnhaus, in dem am Donnerstag eine giftige Kobra aus einem Terrarium entwich.
Feuerwehrleute bringen am Freitag einen Schrank aus dem Mülheimer Wohnhaus, in dem am Donnerstag eine giftige Kobra aus einem Terrarium entwich. © ddp

Umweltministerium sieht keinen Handlungsbedarf

Sieht das Umweltministerium Verbesserungsbedarf? „Nein, erstens ist es schwierig, genau zu definieren, was exotische und gefährliche Tiere überhaupt sind“, sagt Sprecher Deitermann. Zweitens könne man nicht für jedes einzelne Tier Auflagen machen und drittens seien die meisten Halter sehr sachkundig und hätten schon wegen der Haftung das Interesse, die Tiere sachgemäß zu halten. Einen Sachkunde-Nachweis, wie bei vielen Hunden notwendig, lehnt er ab. „Hunde und Giftschlangen unterscheiden sich ja dadurch, dass nur erstere in der Öffentlichkeit auf andere Menschen treffen.“

Die dramatische Suche nach der entflohenen Monokel-Kobra in Mülheim veranlassen nun aber SPD und Grüne, ein Verbot der Haltung giftiger Tiere in Privathaushalten zu fordern. „Diese Tiere können zu Waffen werden. Es muss untersagt werden, sie in der Wohnung zu halten“, sagt der SPD-Innenexperte im Landtag, Karsten Rudolph, zur WAZ.

Barbara Steffens, grüne Landtagsabgeordnete aus dem betroffenen Mülheimer Wahlkreis: „Der Vorgang bestätigt, dass hier Handlungsbedarf ist. Exotische und auch gefährliche Tiere dürfen nicht bedingungslos frei zu kaufen sein. Wir fordern schon in unserem Wahlprogramm eine Positiv-Liste, aus der hervorgeht, welche Tiere gehalten werden dürfen und welche nicht.“ Nur Zoo- und Terrarienbesitzern dürfe die Haltung von Giftschlangen erlaubt werden, meint Steffens.

Ihr Kollege Reiner Priggen ergänzt: „Das sagt doch einem schon der gesunde Menschenverstand, dass man solch ein Tier nicht in der Wohnung hält - für das man im übrigen ein Serum bereithalten muss, wenn es zubeißen sollte.“

FDP und Linke wollen kein Verbot

Die FDP dagegen mahnt zur Ruhe. „Wir können nicht bei jedem Einzelfall sofort nach neuen Gesetzen rufen“, sagt der FDP-Landtagsabgeordnete Holger Ellerbrock. Er will zunächst den Sachverhalt aufklären und prüfen, ob nicht die bisherigen Gesetze ausreichen. Ein Verbot sei nicht notwendig: „Lasst doch den Leuten ihre Hobbys.“

Auch die Linke in NRW hält nichts von einem Verbot oder einem Sachkunde-Nachweis. „Dieser bringt genauso wenig wie ein Waffenschein“, sagt Linken-Sprecher Ralf Michalowsky. Er will vielmehr den Artenschutz gesichert sehen, indem Gesetze den Handel solcher Tiere unterbinden und die illegale Einfuhr hart bestraft wird.

Ein Bauarbeiter entleert einen Eimer Schutt. Auch darunter suchten die Einsatzkräfte nach der Kobra.
Ein Bauarbeiter entleert einen Eimer Schutt. Auch darunter suchten die Einsatzkräfte nach der Kobra. © ddp

Immer mehr Zwischenfälle mit gefährlichen Tieren

Experten sagen, dass die Zahl der Zwischenfälle zunimmt. Erst kürzlich wurde ein Hamburger von seiner eigenen Schlange gebissen, konnte aber noch gerettet werden. „In Deutschland werden schätzungsweise 250 000 Riesenschlangen und 100 000 Giftschlangen gehalten, die Zahl der giftigen Skorpione und Spinnen ist unbekannt“, sagt Laura Zimprich, Sprecherin des Vereins animal public e.V. Sie verlangt „der zunehmenden Haltung von exotischen Wildtieren in Deutschland“ einen Riegel vorzuschieben.

Zimprich: „Der Fall Mülheim zeigt: Es müssen endlich Konsequenzen gezogen werden.“ Deshalb fordert animal public das Verbot – und nimmt gleichzeitig „terraristica“ ins Visier, den bundesweit größten Handel mit diesen Tieren in Hamm. Dort hatte auch der 19-Jährige aus Mülheim seine Monokel-Kobra erstanden. Zimprich zur WAZ: „Giftschlangen werden dort in Plastikbehältern verkauft. Deckel drauf, Tesa drum. So geht das nicht weiter.“