Mülheim. Nach dem Abi geht er an die Uni, „wie alle anderen auch“. Doch studieren liegt ihm nicht, er bricht ab, macht eine Lehre. Nun ist er Firmenchef.
„Niemand in meinem Freundeskreis hat es überhaupt in Betracht gezogen, eine Ausbildung zu machen. Alle sind studieren gegangen“, erinnert sich Niklas Haaf zurück an die Zeit kurz nach dem Abi. Auch er, der 26-Jährige, hat zunächst ein Studium begonnen. Doch nach drei Semestern hat der Essener das Bauingenieurwesen an den Nagel gehängt und stattdessen Anfang 2023 in Mülheim seinen eigenen Handwerksbetrieb gegründet. „Die beste Entscheidung meines Lebens“, sagt der junge Heizungsbaumeister, der sich auf Wärmepumpen spezialisiert hat, heute.
Abi in der Tasche und ab an die Uni - auch für Niklas Haff schien dieser Weg vorgezeichnet zu sein. Bald aber merkte der junge Mann: „Das Studium ist nicht mein Konzept, ich hatte ein Motivationsproblem.“ Also zog der Essener die Reißleine und schaute sich nach einer Ausbildung um. Gerne im Handwerk, denn „mit angepackt habe ich in meiner Freizeit schon immer gerne“. Aber was sind eigentlich die Aufgabengebiete in den einzelnen Gewerken? „Die Ausbildung zum Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik klang abwechslungsreich“, sagt Haaf rückblickend über seine Wahl.
Als das Studium floppte, begann er eine Ausbildung - und ist nun in Mülheim selbstständig
Kurzerhand bewarb er sich auf einen Ausbildungsplatz. Mit 20 Jahren kehrte er also zurück an die Schule, saß mit deutlich jüngeren in der Klasse. „Der Altersunterschied war weniger ein Problem als die Einstellung zum Lernen“, erinnert Haaf sich kopfschüttelnd: „Ich hatte ein klares Ziel vor Augen, wollte meine Ausbildung schnellstmöglich und mit guten Ergebnissen abschließen. Viele der anderen haben dort einfach ihre Zeit abgesessen und die Klasse aufgemischt. Das war ärgerlich und schade zu sehen, dass viele sich haben mitreißen lassen.“ Nicht selten habe er gedacht: „Wenn ich jetzt auf der Baustelle wäre und eine Wärmepumpe einbauen könnte, könnte ich Erfahrungen sammeln.“
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Denn das ist es, was ihm im Studium gefehlt hat und was ihn nun in seinem Beruf zufrieden macht: „Man erfährt über den Tag greifbare Veränderungen, das ist für mich eine große Motivationsquelle. Im Gegensatz zum Studium - da hatte ich keine Erfolge.“ Als Lehrling ging es dagegen fast wie von selbst: „Die Ausbildung konnte ich durch mein Abi und meine Leistungen auf ein Jahr und acht Monate verkürzen.“
Mülheimer Handwerksmeister führt mit 26 Jahren eigenen Betrieb
Die drei Semester an der Uni möchte Haaf dennoch nicht missen: „Ich bereue überhaupt nicht, mit dem Studium begonnen zu haben. Abgesehen davon, dass ich heute auch noch Mathe und die Grundlagen in Physik brauche, weiß ich jetzt genau, was ich will.“ Sein Ziel, Karriere im Handwerksberuf zu machen, hatte der junge Mann früh vor Augen: „Nach acht, neun Monaten in der Ausbildung habe ich mich für die Meisterschule angemeldet, so dass ich die fast direkt anschließen konnte.“
Gut gerüstet fühlte er sich damit, um seinen eigenen Betrieb, eine GmbH, zu gründen. Doch da hatte Haaf die Rechnung ohne die Bürokratie gemacht. „Die Hürden waren hoch, obwohl ich alles so gemacht habe wie im Bilderbuch“, schildert er seine Odyssee, bis etwa das Geschäftskonto eingerichtet und sein Betrieb in Handelsregister und Handwerksrolle eingetragen war. „Ich hab zum 1. Januar 2023 gegründet und konnte erst im Mai die erste Rechnung schreiben. Dabei hatte ich schon Kunden akquiriert, die auf mich warteten. Wenn die anriefen, musste ich sagen: Es tut mir leid, aber es geht noch nicht.“ Nicht loslegen zu dürfen, habe er als sehr frustrierend empfunden, „wo doch alle jammern, dass sie keinen Handwerker bekommen. Aber ich hatte den Anspruch, alles richtigzumachen.“
Mit 26 Jahren Ausbilder im eigenen Betrieb - gegen den Fachkräftemangel
Heute, rund anderthalb Jahre, nachdem er als Existenzgründer an den Start gegangen ist, hat Haaf bereits einen festangestellten Mitarbeiter, ab August kommt ein Lehrling dazu. Auszubilden ist ihm ein Herzensanliegen: „Ohne den Lehrern in der Berufschule den schwarzen Peter zuschieben zu wollen, bin ich optimistisch, dass ich auch meinen Azubi mehr motivieren kann, als es damals meine Schulkameraden taten. Aber ich will mich nicht so weit aus dem Fenster lehnen, da muss ich erstmal Erfahrungen sammeln.“ Doch für ihn steht fest: „Um gute Fachkräfte zu haben, muss man auch spezialisiert ausbilden.“
Dass er mit 26 Jahren schon Chef eines beinah Gleichaltrigen ist und künftig Lehrherr eines 17-Jährigen, findet Haaf eher motivierend als einschüchternd: „Wir sind ein junges Team und es macht Spaß, wenn wir zusammen etwas Gutes schaffen.“ Für ihn zähle das Team-Gefühl - er wolle ein Vorgesetzter sein, der Wertschätzung übt. Das fange bei angemessener Bezahlung, Arbeitssicherheit und geeigneten Klamotten an und führe bis zu Hilfsmitteln wie einem Treppensteiger, der schwere Sachen zu transportieren hilft. „Das ist eine Investition, aber wenn meine Mitarbeiter wegen Rückenschmerzen ausfallen, wird‘s noch teurer für mich.“
Junger Existenzgründer aus Mülheim: Nicht das Studium als Königsweg vorgeben
Sich als Handwerker selbstständig zu machen, darüber sagt Niklas Haaf heute: „Das war die beste Entscheidung, ich bin super zufrieden und bereue keinen Tag. Ich weiß nicht, ob ich so ein guter Ingenieur geworden wäre.“ Darauf ausruhen will sich der 26-Jährige aber nicht: „Ich mache jetzt nebenbei in der Abendschule noch meinen Abschluss zur Elektrofachkraft.“ Vieles im Bereich der Erneuerbaren Energien, bei denen sich Haaf vor allem auf Wärmepumpen spezialisiert hat, erfordere auch elektrotechnische Kenntnisse. „Wenn man etwa nicht das richtige Kabel nimmt, geht Effizienz verloren.“ Was diese Technik noch alles an Knowhow auf den Markt bringen wird, reizt ihn: „Das macht den Beruf immer attraktiver.“
Grinsend erzählt Niklas Haaf vom Klassentreffen, das neulich stattfand: „Zwei, die mit mir Abi gemacht haben, fangen jetzt auch eine Ausbildung an. Erst war ich der Aussätzige, der das Studium abgebrochen hat, aber es werden mehr. Ein Studium ist eine feine Sache, aber eben nicht für jeden.“ Haaf sieht da auch die Schulen in der Pflicht, Abiturienten das Studium nicht als Königsweg anzupreisen. „Ich habe selbst auf dem Gymnasium von einem Lehrer den Spruch gehört: Du willst doch nicht auf der Baustelle landen.“ Heute kann der Firmenchef darüber schmunzeln.
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