Mülheim. An Mülheimer Grundschulen und Kitas herrscht weiterhin Verkehrschaos, weil Eltern ihre Kinder mit dem Auto bringen. Wo bleiben die Lösungen?

„Komm, Amy, nicht trödeln“ - doch Amy schlurft ihrem Vater mit Hund verschlafen hinterher. Es ist ja erst 7.30 Uhr morgens an der Barbarastraße in Dümpten. Und noch ist die Karawane von Eltern und Kindern überschaubar, die sich zu Fuß zur Grundschule oder zu den beiden Kitas aufgemacht hat. Doch das eigentliche Problem wird sich noch zeigen.

Denn schon eine viertel Stunde später hat sich das Bild gewandelt. Autos strömen von der südwestlichen Agnesstraße in die schmale, rund 300 Meter lange Nebenstraße. Drinnen meist ein Erwachsener und ein einzelnes Kind, selten zwei. Schnell fehlt da links und rechts der Platz, um halten zu können. Weil da ja schon jemand steht. Schnell die Tür auf, kommt da einer, jetzt raus, Tonne noch, „Tschü-üs, Schatz“, anfahren.

Manche parken schon weit vor der Schule, weil man kaum durchkommt

Mancher parkt schon vorher in der Kurve bei den Glas- und Papiercontainern, weil vor der Schule kaum ein Durchkommen ist. Geht oft sogar schneller, trotz Restfußweg.

„Es ist schon viel Verkehr“: Vor den Kitas und der Schule an der Barbarastraße in Mülheim-Dümpten stehen morgens die Autos Schlange.
„Es ist schon viel Verkehr“: Vor den Kitas und der Schule an der Barbarastraße in Mülheim-Dümpten stehen morgens die Autos Schlange. © Dennis Vollmer | Dennis Vollmer

Denn viele bringen ihr Kind auf vier Rädern statt auf vier Beinen hin. „Manchmal stehen die Autos bis zur Agnesstraße - reines Chaos. Aber jeder Tag ist anders“, meint ein Vater, der nur fünf Minuten entfernt wohnt. Manchmal hat man Glück, erwischt das richtige Zeitfenster. Also werden Kinder weiter gefahren. Warum ist das so? „Weil jeder nur auf sich achtet.“

Inzwischen drängen Autos auch von Nordosten in die Straße, versucht auch eine Buslinie sich zwischen den Spalier stehenden Wagen durchzufädeln. Durch ein Nadelöhr. Ein Vater mit Bochumer Kennzeichen parkt deshalb lieber mal an den Containern. Sein Sohn muss ohnehin zur Kita Löwenzahn direkt gegenüber. Kommen Bochumer Kinder deswegen extra nach Dümpten?

Mülheimer Vater: „Es ist doch eine Frage des Systems“

„Nein, Firmenwagen“, lacht er. Er wohne in Dümpten, nicht mal weit von hier. Sein älterer Sohn sei ja zu Fuß zur Schule unterwegs - „unser Soll haben wir damit erfüllt“, meint der Vater im halben Ernst. Das Problem sei aber nicht nur das Alter des jüngeren, sondern ebenfalls der Arbeitsalltag. Denn im Anschluss müsse er zur Arbeit nach Essen. Also kommt Sohnemann mit ins Auto, quasi auf dem Weg zur Arbeitsstätte.

So gibt es viele Gründe für die Elterntaxi-Schlange an der Barbarastraße. Auch gute? „Es ist schon viel Verkehr“, schaut der Vater nachdenklich die leichte Steigung zur Schule rauf, wo Autos gegen 7.50 Uhr noch mal richtig ‚spack‘ sitzen. Aber was tun? „Das ist doch eine Frage des Systems“, philosophiert der Vater bei einer Zigarette. Eltern sein, pünktlich zur Arbeit, Zeitdruck. Ist das ohne Auto schaffbar?

Die Stadt könnte doch einen Shuttle einrichten, wie in den USA. „Jeder zahlt einen Euro, das Elterntaxi kostet doch auch Sprit“, meint der Vater. Alles sei eine Frage der Umsetzbarkeit, aber „man muss Lösungen finden“.

Elterntaxi-Chaos: Wo sind die Lösungen in Mülheim?

Wo aber gibt es die? Als eine der ersten machte die Hölterschule im „Kampf gegen Elterntaxis“ von sich reden. Im Oktober 2021 gab’s dafür nicht nur Lob, sondern auch eine Auszeichnung des Deutschen Kinderhilfswerks, des Verkehrsclubs Deutschland sowie des Verbands Bildung und Erziehung (VBE).

Wir sind nachhaltiger geworden“: Lisa Riedel, von der Schulpflegschaft an der Hölterschule, wirkt mit im „Kampf gegen Elterntaxis“.
Wir sind nachhaltiger geworden“: Lisa Riedel, von der Schulpflegschaft an der Hölterschule, wirkt mit im „Kampf gegen Elterntaxis“. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Vor fünf Jahren aber starteten hier schon die Projekte, verrät Lisa Riedel von der Schulpflegschaft. Der Weg führt dabei über die Kinder: Als „Schulwegdetektive“ finden sie den Gang zur Schule spannender, mal tut‘s auch ein Rekordversuch: zum Beispiel 3000 Mal den Schulweg schaffen. Und manchmal gibt‘s für uneinsichtige Elterntaxis auch ein Knöllchen - vom eigenen „Schulwegpolizisten“. Der ist natürlich ein Schüler oder eine Schülerin.

Argumente für das Gehen: Kinder wachsen an Herausforderungen

Fast 90 Prozent sind während der Aktionen zu Fuß unterwegs, in einem Fall sogar trotz eines Marsches von einer Stunde, schildert Riedel. Und danach? „Wir haben den Eindruck, dass wir immer nachhaltiger werden“, sagt das Schulpflegschaftsmitglied. Kinder seien häufiger auf Schusters Rappen unterwegs als vorher. Natürlich sehe man auch an der Hölterschule immer noch die berüchtigten Elterntaxen vor der Schule, in zweiter Reihe.

Denn die Bedenken von manchen Eltern seien groß: Was ist, wenn das Kind hinfällt, wenn es dunkel ist, wenn die Sportsachen vergessen wurden. Dann helfen vielleicht die Pro-Argumente: „Kinder gehen nicht allein, sie wachsen an Herausforderungen, erwerben Sozialverhalten, Problemlösungskompetenzen“, hält Riedel dagegen. Und sie machen Eltern klar: Die Elterntaxen verursachen den Verkehr, gefährden die eigenen Kinder.

„Ein scharfes Schwert“: Warum Mülheim Schulstraßen ungern einrichtet

Und doch liebäugelt die Schulpflegschaft mit der Möglichkeit einer Schulstraße. Das NRW-Verkehrsministerium hat diese Sperrung einer Straße im Nahbereich von Schulen und zu Bring- und Holzeiten jüngst erleichtert.

Doch zurück nach Dümpten, zur Barbarastraße. Wäre eine Schulstraße angesichts der Dichte von Kitas und Schule sowie des Elternverkehrs eine Lösung? Auf Anfrage der Redaktion sieht die Stadt keinen unmittelbaren Handlungsbedarf. Eine Schulstraße einzurichten, sei „ein scharfes Schwert“ und nach Einschätzung der Verwaltung nicht verhältnismäßig.

Stadt Mülheim plant Erhebung an der Barbarastraße - seit zwei Jahren

Denn während der Ortskontrollen sei die Situation „unauffällig“ gewesen, nur „einzelne Parkverstöße“ seien aufgenommen worden. Auch die Zahl der Beschwerden sei gering. Man wolle stattdessen eine „Erhebung der Fahr- und Laufwege durchführen“. Auf dieser Grundlage könne man womöglich einen Ort für eine Elternhaltestelle finden und einrichten. „Solche Elternhaltestellen haben sich auch in Mülheim bewährt und haben in der Regel hohe Akzeptanz.“

Das allerdings war schon im August 2022 von der Verwaltung in Aussicht gestellt worden, als Johannes Peter Poggi (Die Partei) im Ausschuss der Bezirksvertretung auf die Verkehrssituation in der Barbarastraße hinwies. Seitdem scheint es in der Sache keine Entwicklung gegeben zu haben. Aufgeben müsse man deswegen nicht, weiß Lisa Riedel von der Hölterschule: Die Stadt habe ja eine Anregungs- und Kümmerseite, rät sie. Zu finden ist sie unter geo.muelheim-ruhr.de/kuemmer-karte. „Wenn dort genügend Eltern ihren Wunsch äußern, könnte er schneller in Erfüllung gehen.“

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