Mülheim. Kitas sind dazu angehalten, Sexualerziehung zu leisten. In Mülheim führte das zu irritierten Fragen von Eltern. Wieso die Debatte so komplex ist.
Sexualerziehung in der Kita – muss das wirklich sein? Gleich zwei Familien haben sich kürzlich mit der Frage an die Redaktion gewendet. Der Hintergrund: Auf Geheiß des Landesjugendamtes sind Kindertagesstätten dazu aufgefordert, auch das Thema Sexualerziehung in ihre pädagogischen Konzepte aufzunehmen. In anderen Städten hat dies zum Teil zu massiven Irritationen geführt, etwa bei einer Kita in Tennenbronn im Schwarzwald. Dort war der Eindruck entstanden, dass Kinder aktiv zu Körpererkundungen aufgefordert werden sollen.
In Kerpen war gar von einem Raum die Rede, in dem sich Kinder körperlich entdecken sollten. Im Nachhinein betonten die Verfasser, dass es sich um unglückliche Formulierungen gehandelt habe. Einen Raum in Form eines Zimmers habe es nie gegeben. In allen Fällen wurde im Nachhinein noch etwas deutlich: Wenn Erwachsene über Sexualität sprechen, meinen sie etwas vollkommen anderes als das, was Pädagoginnen und Pädagogen unter kindlicher Sexualität verstehen.
Mülheimer Familie zeiget sich irritiert über sexualpädagogisches Konzept einer Kita
Auch in Mülheim sind nun Fragen aufgekommen. In einem Fall stolperte eine Familie über das pädagogische Konzept einer Mülheimer Kita. Darin geht es unter anderem um die Themen Körpererkundung und Zärtlichkeit. Die Familie reagierte zutiefst irritiert und wendete sich an unsere Redaktion.
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Die Kita-Leiterin stellt auf Nachfrage klar: Gemeint sei, eigene Grenzen und die Grenzen anderer zu erkennen. Das pädagogische Konzept diene lediglich dem Team als Orientierung, wie mit gewissen Situationen umzugehen sei. Dabei seien zwei Aspekte entscheidend: Die Kinder sollten nicht beschämt werden und ein positives Körperbild entwickeln. Zärtlichkeit meine, dass manche Kinder sehr häufig Körperkontakt zu Erzieherinnen oder anderen Kindern suchen, etwa indem sie auf den Schoß wollen oder umarmen, und manche nicht. Es sei Aufgabe des Teams, alle Kinder im Blick zu behalten.
Kinder werden im Internet und TV mit Inhalten konfrontiert, für die sie noch zu jung sind
Sexuelle Entwicklung im Kleinkindalter sei sehr basal und diene in aller Regel dem Verständnis des Körpers. Da gehe es etwa um Situationen wie diese: Ein Kind wird gewickelt, ein anderes muss zur Toilette und bleibt stehen, um zuzuschauen. Dann werde diesem Kind behutsam erklärt, dass dies die Intimsphäre des anderen Kindes berührt. Oder ein Kind setzt sich auf den Schoß einer Erzieherin und zeigt Interesse an deren Busen. Auch dann sei es für Erzieherinnen hilfreich, wenn sie vorbereitet sind. Doktorspiele oder Entkleiden komme sehr selten vor, etwa einmal im Jahr. Schon eher falle auf, dass Kinder außerhalb der Kita mit Inhalten konfrontiert würden, für die sie noch zu jung seien, etwa durch einen unregulierten Zugang zu TV und Internet.
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Der Träger der Kita hat sich entschieden, dass er seinen Namen nicht nennen möchte. Wir respektieren den Wunsch, da er sehr nachvollziehbar geschildert wurde. In der gesamten Recherche zu diesem Text wurde deutlich, dass dieses Thema viel Raum für Verunsicherung und Missverständnisse bietet.
Verunsicherte Mutter aus Mülheim nahm Kontakt zum Jugendamt auf
„Das sexualpädagogische Konzept ist dazu da, um einen roten Faden zu bilden, immer mit dem Ziel, Kinder auf dem Weg in ein selbstbestimmtes Leben zu begleiten. Außerdem gibt es dem Team Sicherheit und schafft Transparenz“, sagt Marc Heiderhoff, Abteilungsleiter beim Jugendamt der Stadt. Diese hat allen Kitas in städtischer Trägerschaft den Auftrag erteilt, bis zum Ende des Jahres ein sexualpädagogisches Konzept zu erstellen, sofern dies nicht bereits geschehen ist.
In diesem Zusammenhang hat sich eine weitere Mutter bei uns gemeldet. In ihrer Kita wurden die Eltern schon zu Beginn des Prozesses über den Elternrat ins Boot geholt. Ihr und weiteren Eltern der Kita war es wichtig, ein eigenes Positionspapier zu verfassen. Auch hier herrschte zunächst Verunsicherung, was überhaupt mit einem solchen Konzept gemeint sei. „Ich dachte zuerst an diese Berichte aus Kerpen und war besorgt“, schildert die Mutter gegenüber unserer Zeitung. Ein Gespräch mit dem Jugendamt habe ihre Sorgen jedoch ausräumen können.
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