Mülheim. Für das Mülheimer Ausbildungsjahr gibt es gute Zahlen. Dennoch sind viele Stellen offen. Woran das liegt, und was beide Seiten verbessern müssen.

Ein Immigrant aus dem Irak, der sich in den Arbeitsmarkt integriert, ein ehemaliger Altenpfleger, der sich nach neun Jahren im alten Beruf umschulen lässt, und ein Student, der nach der Uni noch eine Lehre begonnen hat – bei der gemeinsamen Bilanz zum Mülheimer Ausbildungsjahr standen drei Mitarbeiter der Firma Schröer Garten- und Landschaftsbau beispielhaft für die Vorteile der betrieblichen Ausbildung. Das scheint sich auch in Mülheim wieder herumzusprechen.

Denn die beteiligten Partner hatten fast durchgehend positive Nachrichten im Gepäck. „Die Zahl der jungen Menschen, die sich für eine Ausbildung interessieren, ist gestiegen“, verkündete Jürgen Koch, Vorsitzender der Geschäftsführung bei der hiesigen Agentur für Arbeit. 1089 Jugendliche und junge Erwachsene hatte die Arbeitsagentur bis Ende September registriert. Das sind 145 mehr als im vergangenen Jahr. Gleichzeitig sei die Zahl der Betriebe mit Azubi-Stellen ebenfalls gestiegen. „Auf beiden Seiten haben wir prozentual den höchsten Zuwachs in ganz NRW“, so Koch.

Notleidender Metallsektor legt in Sachen Ausbildung zu

Für die Industrie- und Handelskammer war Franz Roggemann sogar „fast euphorisch“. Einen Anstieg von 12,4 Prozent bei den neu registrierten Ausbildungsverträgen habe er in seiner Zeit noch nicht erlebt. Mit 606 Verträgen sei exakt wieder das Niveau von 2019 und damit der Vor-Corona-Zeit erreicht. Der sonst eher notleidende Metallsektor habe in diesem Jahr einen Anstieg von gleich 38 Prozent erlebt. Zwei große industrielle Arbeitgeber hätten im Nachwuchsbereich aufgerüstet. „Sie haben gemerkt, dass sie auf dem freien Markt keine Fachkräfte mehr finden“, so Roggemann.

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Das Niveau von 2019 hatte die Kreishandwerkerschaft schon etwas früher erreicht. In ihrem Zuständigkeitsbereich lagen die Zahlen auf dem Niveau des Vorjahres. Wie 2022 gab es 186 neue Lehrlinge. Dafür erlebte Heike Gnilka, Abteilungsleiterin Markt und Integration beim Mülheimer Jobcenter, ein gestiegenes Interesse an handwerklichen Berufen. Insgesamt habe es beim Jobcenter aber einige Bewerberinnen und Bewerber weniger gegeben.

238 Stellen sind in Mülheim unbesetzt geblieben

Also alles super in Sachen Ausbildung in Mülheim? Wohl kaum. „Wir haben deutlich mehr Stellen im Portfolio als wir mit Bewerbern rein rechnerisch bedienen können. Und trotzdem bleiben jede Menge Stellen unbesetzt“, verdeutlichte Jürgen Koch von der Arbeitsagentur. 238 freie Stellen (Stand Ende September) sind so viele wie in Essen und Oberhausen zusammen.

Jürgen Koch, Geschäftsführer der Agentur für Arbeit Oberhausen/Mülheim, stellte im Mülheimer Garten- und Landschaftsbaubetrieb Schröer die Ausbildungsbilanz vor.
Jürgen Koch, Geschäftsführer der Agentur für Arbeit Oberhausen/Mülheim, stellte im Mülheimer Garten- und Landschaftsbaubetrieb Schröer die Ausbildungsbilanz vor. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Und die Zeiten werden nicht leichter. Für die Kreishandwerkerschaft spricht Geschäftsführerin Barbara Yeboah schon jetzt von „getrübten Aussichten auf dem Bausektor“, wo das Geschehen enorm zurückgefahren worden sei. Heike Gnilka hat für die Zukunft vor allem zwei Gruppen im Visier: die Geflüchteten aus der Ukraine und junge Leute ohne oder mit nur ganz schlechtem Schulabschluss. „Finden wir da motivierte Betriebe, um diese Menschen auch in die Arbeitswelt zu integrieren?“

Wie Mülheim die Attraktivität der Ausbildung steigern will

Die Herausforderungen haben sich im Allgemeinen nicht verändert. „Die Attraktivität zu steigern, ist unser aller Auftrag für die Zukunft“, betonte Koch. Zuletzt sei es nicht gelungen, „dass sich junge Menschen um die Ausbildungsstellen reißen“.

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Die Partner nahmen dabei beide Seiten in die Pflicht. „Die jungen Leute müssen sich auch melden, das passiert leider viel zu selten“, meinte Joachim Engel, Teamleiter des U25-Hauses. Barbara Yeboah empfahl, bei den Berufswünschen auch noch einmal links und rechts zu gucken.

Warum auch die Unternehmen in der Pflicht stehen

Aber auch die Unternehmen selbst wurden in die Pflicht genommen. DGB-Geschäftsführer Dieter Hillebrand forderte eine höhere Ausbildungsbereitschaft. Aktuell beteiligten sich in Mülheim nicht einmal 20 Prozent der Betriebe. „Wenn wir die Zahl um zehn erhöhen könnten, hätten wir eine ganze Menge mehr Angebot und der Querschnitt wäre größer.“

„Bietet Praktikumsplätze an“, appellierte Franz Roggemann, Leiter des Geschäftsfeldes Bildung und Prüfungen der IHK Essen, an ausbildende Unternehmen.
„Bietet Praktikumsplätze an“, appellierte Franz Roggemann, Leiter des Geschäftsfeldes Bildung und Prüfungen der IHK Essen, an ausbildende Unternehmen. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Zudem empfahl er den Firmen eine andere Ansprache. Wer etwa seine jungen Mitarbeiter zu Jobmessen schicke, habe oft mehr Erfolg. Franz Roggemann von der IHK ergänzte einen Appell: „Bietet Praktikumsplätze an! Viele Unternehmen sagen: Schulzeugnisse sind mir wurscht, der muss einfach mal eine Woche lang mitarbeiten.“ Maximilian Elbers kann das bestätigen: „Ich fand das Praktikum total wichtig“, sagt der Azubi der Firma Schröer. „Das Kaufmännische und Technische hat man nur an der Uni gelernt, aber im Alltag nie wirklich erlebt. Das können sich viele Arbeiter auf der Baustelle gar nicht vorstellen, was das für einen Stress im Büro bedeutet.“

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