Mülheim. In seinem neuesten Werk schickt Helge Schneider Kommissar Schneider auf Ermittlung. Der Fall: ebenso abstrus wie zeitgemäß. Was Leser erwartet.
Dass die Geschehnisse in seinem neusten Krimi aus gesellschaftlicher Sicht bedeutender denn je sind, beweist einmal mehr das schriftstellerische Gespür (andere mögen es auch Glück nennen), das Helge Schneider in „Stepptanz“ präsentiert. Im neuesten Fall ermittelt Kommissar Schneider gegen mehrere Täter, die in perfider Teamarbeit die Einzelteile für „Hybride“, kurz „Hybs“, auftun. Teils aus menschlichen Körperteilen, teils aus Schaufensterpuppen und Elektronik bestehend, will Schurke Jérôme Grismann (alias Klaus) „futuristische Hilfsroboter“ kreieren. Dabei liefern ihm diverse Komplizen die Einzelteile, nicht selten auch unter Zuhilfenahme heimtückischen Mordes.
Absurd, durchaus – wie auch der Autor in seinem Epilog selbst feststellt: „Ich muss sagen, die Realität hat in großer Eile meine absurden Ideen bezüglich dieses Buches plötzlich eingeholt.“ Dass es mittlerweile „anscheinend en vogue geworden ist, Körperteile zu verkaufen, macht mich sprachlos“, so der 68-Jährige. Dennoch habe er nicht anders gekonnt, als das Buch fertigzustellen, schließlich sei er ja „nur ein Klavierspieler“.
Mülheimer Entertainer hält mit seinem Krimi, was er verspricht
Zugegebenermaßen aber einer, der es versteht, mit Druck auf Tasten etwas Unterhaltsames zu produzieren – egal ob nun am Klavier oder am Schreibgerät der Wahl. So ist Kommissar Schneider, unprätentiös und ungewollt witzig wie eh und je, in brisanter Ermittlung unterwegs, ohne daraus das große Ding zu machen, was es eigentlich wäre. Dabei bewegt er sich immer wieder zwischen chronischer Entnervung nahezu jedem und allen gegenüber, der von Routine geprägten Ehe mit seiner Frau („Hase“) und dem untrügerischen Bauchgefühl, das jede seiner Ermittlungen, so auch diese, begleitet.
Und auch wenn ein Unfall im häuslichen Umfeld – wie sie zumindest etlichen Statistiken zufolge immer und immer wieder passieren – Kommissar Schneider zumindest körperlich einschränkt, so bleibt sein Geist gewohnt wach und sein Verstand scharf. Mit welcher einfachen Klarheit es Helge Schneider gelingt, Held(en) und Schurken gleichermaßen zu skizzieren, ist erfrischend, jedoch nicht von Klischees befreit. Wer aber die Werke des „nur ein Klavierspieler“s kennt und schätzt, wird sich daran wohl kaum stören.
Der Schneider’sche Charme kommt nicht zu kurz
Mehr noch, der Schneider’sche Charme, sicherlich auch von der ruhrgebietlichen Heimat geprägt, macht in weiten Teilen sein Werk aus; etwa gleich zu Beginn, als die erste Leiche von einem Kohlelieferanten gefunden wird. (Gibt es so etwas außerhalb des Potts überhaupt?!) Aber auch die zuweilen von regionstypischer Trocken- und Ehrlichkeit geprägten Dialoge, „Jaja, ich weiß … Scheiße“, dürften Vertrautheit oder Sympathien bei Leserin und Leser wecken. Wieso der Kommissar, seines Zeichens ein „Kriminalist“, aber ausgerechnet Alt bestellt und davon auch gleich mehrere, bleibt offen.
Die verrückt anmutende Handlung, die Helge Schneiders neustem Krimi zugrunde liegt, dürfte den einen zwar vielleicht abschrecken, dem anderen aber vermutlich genau das liefern, was er erwartet. Wo Helge Schneider drauf steht, ist Helge Schneider drin – und das nicht zuletzt wegen der 18 Zeichnungen, die „Stepptanz“ abrunden. Der Denkanstoß ist inklusive und das nicht nur für die, denen es gelingt, um die Ecke zu denken. Spätestens im Epilog erfasst der Autor die Essenz dessen, was er auf zuvor rund 180 Seiten schreibt: „… denn die Freiheit ist alles“.
Helge Schneider „Stepptanz“, Kiepenheuer & Witsch, 192 Seiten, 22,70 Euro, ISBN: 978-3-462-00587-5. Ab dem 14. Oktober geht Helge Schneider mit seinem Buch auf Lesereise, los geht es in Berlin. Mehr Infos gibt es unter kiwi-verlag.de.