Mülheim. Die Mülheimer Ringbusse im Norden und Süden sind eine der zentralen Neuerungen im neuen Nahverkehr. Doch wie gut funktioniert die Praxis?

Sie sind das jahrelang gehegte Kernstück eines grünen Nahverkehrs: Ringbuslinien sollen die Stadtteile im Norden und Süden miteinander vernetzen ohne umsteigen zu müssen und auf kurzem Wege aus den Vierteln zu den schnellen Straßenbahnlinien führen. Mit dem neuen Nahverkehrsplan fiel endlich der Startschuss für ein Mülheimer Konzept – doch wie funktioniert es?

Ein erster Eindruck offenbart viel Licht, aber auch Schatten der Stadtteil-Linien 129 für den Norden und 139 für den Süden. Wer sich am Montagmorgen nach dem Berufsverkehr von der Saarner Kuppe auf den Weg nach Heißen macht, hat erst einmal viel Platz in der Linie 139. Ein Mann mit Blumen steigt am Sanddornweg ein, am Kleefeld schaut der Fahrer mit hochgezogenen Augenbrauen zum Wartehäuschen, wo eine Frau sitzt. Die schüttelt den Kopf. Sie wartet wohl auf den 135er in die Innenstadt.

Schnelle Südring-Linie verbindet Viertel mit wichtigen Mülheimer Handelszentren

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Die 139 macht den Schlenker von Broich nach Heißen, Heimaterde und dem Einkaufszentrum in Essen-Haarzopf. Sie verbindet Wohnviertel in Holthausen und Rumbachtal direkt mit den Stadtteilzentren in Heißen. Hier wird es schon spürbar voller. Wer mit den Zugestiegenen spricht, hört manches Lob für den nunmehr kurzen Weg aus dem Quartier zur Heißener Mitte, auch aber zum Dorf Saarn. Dagegen erscheint es nahezu umständlich, in die Mülheimer Stadtmitte zu kommen.

„Nur alle halbe Stunde“, fügt ein Mann hinzu. Das könnte auch häufiger sein. Ob der Ringbus im Berufsverkehr mehr genutzt wird? Denn annähernd voll ist der Bus um kurz vor neun nicht. Der Mann zuckt mit den Schultern. Allerdings: Die gemütliche Strecke vom Mülheimer Westen nach Osten nutzt auch denen, die nicht durch die stressige Stadtmitte wollen, um etwa in die U18 umzusteigen.

In Heißen Mitte verlassen einige den Bus, mancher hastet runter zu U-Bahn nach Essen. Beim Gondeln durch die engen Wege der Heimaterde steigen noch einmal vier Leute hinzu, die nach Haarzopf wollen – einkaufen, verraten sie.

Die neue Mülheimer Ringbuslinie 129 muss eine lange Strecke hinter sich bringen: Vom Rhein-Ruhr-Zentrum bis zum Broicher Friedhof muss sie die Stadtteile im Norden verknüpfen und ist dafür gut 70 Minuten unterwegs. Das ist nicht unumstritten.
Die neue Mülheimer Ringbuslinie 129 muss eine lange Strecke hinter sich bringen: Vom Rhein-Ruhr-Zentrum bis zum Broicher Friedhof muss sie die Stadtteile im Norden verknüpfen und ist dafür gut 70 Minuten unterwegs. Das ist nicht unumstritten. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

In nur 25 Minuten von Saarn zum Schwimmbad Heißen

Doch es liegen auch einige Freizeitziele auf der Linie 139: Der Saarner mit den Blumen steigt nach zehn Minuten Fahrt am Witthausbusch aus. Eine Frau, die an der Danziger Straße zusteigt, drückt am Heißener Schwimmbad den Stop-Knopf. Fahrzeit: nur neun Minuten. Vom Nachbarsweg links der Ruhr bis zum Schwimmbad rechts wären es aber auch nur knappe 25 Minuten. Ohne Umsteigen. Und den Saarner Schülern steht neben der Luisenschule nunmehr der Direktzugang zum Heißener Gymnasium zur Auswahl – Fahrzeit: eine halbe Stunde.

Den flotten Eindruck des Südrings hinterlässt dagegen die Nordhälfte nicht. Obwohl am Montagmorgen auch hier alles im Plan liegt. Das Gefühl endlosen Herumkurvens entsteht jedoch schon deshalb, weil der 129er vom Anfang in Frohnhausen bis Ende am Broicher Friedhof durch die Zusammenlegung von zwei Linien (129 und 136) zum Ringbus gut 70 Minuten und damit eine satte halbe Stunde länger braucht. Aber nicht allein aus diesem Grund.

Der Nordring: Wichtiger Anschluss zu Gesamtschulen aber zähe Strecke

Die Vorteile der Linie liegen zwar weiterhin auf der Hand: Heißen ist an zwei Gesamtschulen – Gustav-Heinemann in Dümpten und Willy-Brand in Styrum – angeschlossen, auf dem Weg liegen die Straßenbahnen 104 Richtung Essen (Aktienstraße) sowie die 112 (Oberhausener Straße) nach Oberhausen. Hinzu kommt die Direktverbindung zum Gewerbegebiet am Heifeskamp, das man von Heißen aus in 20 Minuten erreicht hat.

Mülheims neuer Nahverkehr: Das sorgte für Diskussion

Doch etwa das Theater an der Ruhr liegt noch ganze 18 Minuten Fahrzeit entfernt. Schnell ist das kaum. Denn die Linie zwischen den nördlichen Stadtteilen muss auch noch in den einzelnen Quartieren für gute Verbindungen sorgen und fährt dort kleinteilig Haltestellen an. Das zieht sich.

„Nominell sehen die Ringbusse super aus“, sagt der verkehrspolitische Sprecher der SPD, Daniel Mühlenfeld. Die lange Strecke des Nordrings aber sieht er kritisch: „Dadurch ist die Linie grundsätzlich verspätungsanfällig.“ Wie aber kriegt man den Spagat zwischen einem zuverlässigen Angebot und guten Fahrbeziehungen organisiert?, befürchtet dieser, dass ein Ringbus überfordert sein könnte, beides zu leisten.

Wie kann man die Ringbusse beschleunigen?

Das Dilemma, schnelle Verbindungen zu schaffen, aber viele Haltepunkte ansteuern zu müssen, ist auch den Grünen klar, die auf die Ringbuslinien drängten: „Es gab auch bei uns die Idee, die Ringbusse zu beschleunigen“, sagt Timo Spors, Vorsitzender des Mobilitätsausschusses. Dafür aber müssten Haltestellen auf der Ringbuslinie gestrichen und durch andere Quartiersbusse angefahren werden. Ob sich kürzere Quartiersbusse wirtschaftlich rechnen, hat der verkehrspolitische Sprecher Axel Hercher (ebenfalls Grüne) wiederum seine Zweifel.

Eine andere mögliche Lösung: die ungleichen Strecken zwischen den Ringbussen anzupassen. Die Verbindung müsste dann an der Kreuzung Duisburger und Saarner Straße liegen. Und nicht, wie aktuell, am Friedhof Broich. Nur müssten dann etwa Speldorfer Schüler auf dem Weg zum Elsa-Brändström-Gymnasium in Oberhausen wohl drei Mal umsteigen: vom 139er zum 129er und in Styrum zum 122er. Und: es gibt an der Kreuzung keine Wende-Chance für die Busse.

Grüne von Ruhrbahn entnervt: „Wir können doch nicht auch noch für sie planen“

Einfach wird also der Nordringbus nicht zu beschleunigen sein. Auf seinen Testfahrten aber hat Hercher noch ein anderes Problem festgestellt: Die Anschlüsse beider Ringbusse an die übrigen Linien sind oft ungünstig. Das liegt an den unterschiedlichen Takten zwischen den 15-minütig fahrenden Straßenbahnen und Bussen und den halbstündig cruisenden Ringbussen.

Aber nicht weniger an der Planung der Ruhrbahn, kritisiert Hercher: Wenn man die Fahrzeiten der Ringbusse nur um zehn Minuten verschieben würde, hätte man zwar viele Anschlüsse nicht gravierend verbessert, dafür aber mehr Anschlüsse an weitere Linien hergestellt, hat der grüne Verkehrsexperte ausgerechnet. Hercher hat seit dem pannenreichen Start des neuen Nahverkehrsplans immer weniger Verständnis für den von Ruhrbahn und Stadtverwaltung aufgestellten Plan: „Aber die Politik kann doch für die Ruhrbahn nicht auch noch die Planung machen.“