Mülheim. Yannick ist 30 und lebt in Mülheim in seiner eigenen Wohnung. So weit nicht ungewöhnlich. Er hat aber das Down-Syndrom. Wie sein Alltag aussieht.

Vor 30 Jahren ist Yannick Rüth mit einem Down-Syndrom geboren worden. Dass der junge Mann trotz seiner Einschränkung ein selbstständiges Leben führen kann, hat er vor allem seiner Familie, seiner Mutter Sabine Rüth, aber auch der Lebenshilfe zu verdanken. Die Elterninitiative, die vom Saarner Pastor Ewald Luhr und seiner Frau Luise gegründet wurde, wird in diesem Jahr 60 Jahre alt und hat schon etlichen Menschen zu einem selbstbestimmteren Leben verholfen. Im Interview sprechen Yannick und Sabine Rüth über die Herausforderungen im Alltag mit Behinderung und die Hilfe, die ihnen die Elterninitiative gegeben hat.

Herr Rüth, Sie leben in einer von der Lebenshilfe betreuten 50 Quadratmeter großen Wohnung. Wie kam es dazu?

Yannick Rüth: Ich bin 2019 hier eingezogen. Ich habe eine eigene Wohnung, genauso wie meine nichtbehinderten Geschwister Alexandra und Niklas.

Wie kam es dazu?

Sabine Rüth: Die Lebenshilfe ist Mitglied im Trägerverein des Gemeinschaftswohnprojektes Fünter Hof, das mithilfe der Mülheimer Wohnungsbaugenossenschaft rund um eine ehemalige Schule am Fünter Weg realisiert werden konnte. Ich selbst bin Mitglied der Lebenshilfe und des Trägervereins Fünter Hof. Denn Yannicks Vater und mir ist es wichtig, dass unser Sohn möglichst selbstständig, aber auch beschützt leben kann.

Wie haben Sie sich auf das Leben in Ihrer eigenen Wohnung vorbereitet?

Yannick Rüth: Mein Freund Felix, der heute hier mein Nachbar ist, und ich, haben gemeinsam die Förderschule an der Rembergstraße besucht. In dieser Zeit haben wir in einer Wohnung der Lebenshilfe am Hingberg ausprobiert, was man alles machen muss, wenn man in einer eigenen Wohnung lebt.

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Können Sie Ihren Alltag denn ganz alleine organisieren?

Yannick Rüth: Nein. Ich werde von den Leuten der Lebenshilfe unterstützt. Einer von ihnen ist immer hier im Haus, um uns zu helfen, wenn wir Hilfe brauchen.

Was können Sie selbst und wobei brauchen Sie die Hilfe der Leute von der Lebenshilfe?

Yannick Rüth: Ich kann waschen und kochen, zum Beispiel Kartoffelpüree mit Fischstäbchen. Ich kann selbst einkaufen und mit meiner Karte bezahlen, auf die meine Mutter mein Taschengeld überweist. Die Leute von der Lebenshilfe schreiben mit mir einen Einkaufszettel und gehen mit mir zusammen einkaufen, obwohl ich eigentlich immer alles im Kopf habe, was ich einkaufen will. Ich muss mich auch immer eincremen, damit ich keine trockene Haut bekomme. Dabei brauche ich Hilfe, ich kann ja meinen Rücken nicht selbst eincremen.

Jeden Sonntag gehen Mutter Sabine und Sohn Yannick spazieren.
Jeden Sonntag gehen Mutter Sabine und Sohn Yannick spazieren. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Was gefällt Ihnen am Lebenshilfe-Wohnhaus im Fünter Hof?

Sabine Rüth: Yannick wohnt hier in seinen eigenen vier Wänden und kann gleichzeitig die Vorzüge einer Wohngemeinschaft genießen. Seine behinderten und nichtbehinderten Nachbarn sind nett und gehen auf ihn ein. Lebenshilfe ist mit mindestens einem Betreuer rund um die Uhr als Ansprechpartner vor Ort, wenn es Fragen und Probleme gibt. Das gibt Yannick und mir ein gutes Gefühl der Sicherheit und fördert unsere Lebensqualität.

Wie gestalten Sie Ihren Alltag innerhalb und außerhalb ihrer Wohnung?

Yannick Rüth: Ich stehe morgens schon um 5 Uhr auf. Dann ziehe ich mich an und frühstücke. Am Wochenende treffe ich mich auch schon mal mit meinen Nachbarn zum Frühstück. Um 6 Uhr klingelt dann ein Betreuer von der Lebenshilfe an, um zu sehen, ob ich auch aufgestanden bin, obwohl ich das gar nicht brauche. Um 7.15 Uhr gehe ich zu Fuß zur Arbeit. Ich arbeite in der Schreinerei der Fliedner-Stiftung. Mittags esse ich in der Werkstatt. Um 15 Uhr habe ich Feierabend. Dann gehe ich nach Hause.

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Und was steht an Wochenenden an?

Am Wochenende kocht die Lebenshilfe für uns. Dann essen wir gemeinsam bei uns zuhause. Sonntags gehe ich mit meiner Mutter spazieren. Nachmittags gehe ich regelmäßig Fußballspielen oder schwimmen. Dann fahren mich die Leute von der Lebenshilfe ins Heißener Schwimmbad oder zum TUS Union 09. Ich bin Stürmer und kann gut Tore schießen. Und ich gehe auch mit meinem Vater gerne auf Schalke und trinke in der Halbzeitpause ein Bier. Ich bin Schalke-Fan, auch wenn mein Verein jetzt leider abgestiegen ist.

Und wie sieht es darüber hinaus mit der Wohn- und Lebensgestaltung aus?

Sabine Rüth: Die Lebenshilfe steht Eltern geistig behinderter Kinder in allen Lebensfragen zur Seite. Sie geht auch auf Wünsche und Vorschläge von Bewohnern und Eltern ein und hält alle immer auf dem Laufenden, was gerade ansteht. Das reicht von gemeinsamen Ausflügen und Kinobesuchen bis hin zur gemeinsamen Gartenarbeit mit den Nachbarn des Fünter Hofes. Auch ein gemeinsamer Urlaub der Bewohner im Lebenshilfehaus ist geplant, konnte aber auch durch Corona noch nicht realisiert werden. Ich selbst schaue ein- bis zweimal pro Woche bei Yannick nach dem Rechten.