Mülheim. Bei Kaiserwetter versammelten sich Mülheims Parteien und Gewerkschaften am Ringlokschuppen. Worum es in den Reden in diesem Jahr ging.
Die allgemeinen Themen wie der Ukraine-Krieg und die Inflation standen am 1. Mai in Mülheim ebenso im Fokus wie die lokalen Debatten um Karstadt und die Friedrich-Wilhelms-Hütte. Mehrere hundert Mülheimerinnen und Mülheimer waren bei Kaiserwetter an den Ringlokschuppen gekommen.
Noch tags zuvor hatte es einen Ortstermin an der Hütte mit den hiesigen Abgeordneten in Landes- und Bundestag gegeben, an dem auch der frühere DGB-Bundesvorsitzende Reiner Hoffmann teilnahm. „Stahl hat Zukunft, auch hier in Mülheim“, sagte der gebürtige Wuppertaler, der zum zweiten Mal als Gastredner am 1. Mai in Mülheim auftrat.
Ex-DGB-Bundesvorsitzender in Mülheim: „Stahl hat auch hier Zukunft“
„Hier wird gute Arbeit geleistet, auch aufgrund guter Qualifikationen“, nahm Hoffmann aus dem Gespräch am Sonntag mit. „Wenn wir den Umbau der Industrie angehen wollen, wird das ohne Stahl nicht funktionieren“, glaubt der ehemalige DGB-Chef. Die Hütte könne sich so aufstellen, dass sie bis 2030 klimaneutral produziere. „Hier wird zum Gelingen des Strukturwandels beigetragen“, meinte Hoffmann.
Deswegen sei er „einigermaßen irritiert“ gewesen, „dass die Eigentümer des Grundstücks versuchen, daraus wieder ein goldenes Geschäft zu machen, nachdem sie sich schon ihrer Verantwortung entzogen haben“. Sicherlich unterliege das der unternehmerischen Freiheit, Hoffmann verurteilte aber, „dass jetzt hingegangen wird, um auf diesem Grundstück Gewinne zu machen, auf dem Rücken der Kolleginnen und Kollegen.“
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Dass sich zumindest die Stadt für den Erhalt von Industrie-Arbeitsplätzen einsetze, zeige – so Oberbürgermeister Marc Buchholz – die am Donnerstag vom Rat der Stadt getroffene Entscheidung, das Vorkaufsrecht für die Vallourec-Fläche zwischen Styrum und Dümpten zu ziehen. „Da darf man auch mal gerne applaudieren“, schob Buchholz nach, als eine hörbare Reaktion zunächst ausblieb.
Der OB lobte die an diesem Tag im Fokus stehenden Gewerkschaften. „Ohne sie wäre eine Verhandlung beispielsweise zum Erhalt der Arbeitsplätze von Galeria Karstadt Kaufhof im Rhein-Ruhr-Zentrum nicht möglich gewesen.“
Das war dann erneut das Stichwort für Ex-DGB-Boss Reiner Hoffmann: „Unternehmensrettung auf der Basis von Hungerlöhnen kann es doch nicht sein.“ Andrea Grisail, Betriebsratsvorsitzende im Mülheimer Karstadt-Haus im Rhein-Ruhr-Zentrum, hatte zuvor die fehlenden Arbeitnehmerinteressen beklagt. „Ein Insolvenzverfahren rettet nur das Kapital. Was mit den einzelnen Beschäftigten passiert, ist überhaupt nicht geregelt.“
Gewerkschaften fordern andere Bedingungen in Insolvenzverfahren
Auch Hoffmann sieht die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einem Insolvenzverfahren hintangestellt. Dabei müsse es doch das erste Ziel sein, die Arbeitsplätze zu sichern. Allerdings sieht der Ex-DGB-Chef Schwierigkeiten darin, dass immer weniger Unternehmen nach Tarif bezahlen. „52 Prozent der Beschäftigen in Deutschland fallen nicht mehr unter den Schutz von Tarifverträgen“, beklagte Hoffmann.
Er sieht in diesem Punkt den Bund in der Pflicht. „Es kann doch nicht sein, dass der Staat Aufträge vergibt an Firmen, die keinen Tariflohn bezahlen.“ Hier müssten entsprechende Bedingungen geschaffen werden. „Ansonsten zahlen wir am Ende als Steuerzahler wieder die Zeche“, so Hoffmann.
Was Mülheims DGB in Sachen Inflation fordert
Und die seien schließlich aktuell ohnehin schon genug gebeutelt. „Das gute Leben wird immer teurer“, sagte Mülheims DGB-Vorsitzender Filip Fischer. Die Politik habe auch in vielen Punkten gegengesteuert. „Die Hilfen, die bislang gekommen sind, sind gut und hilfreich, aber sie reichen nicht aus“, meinte Fischer.
„Alleine mit der Tarifpolitik werden wir die gigantische Inflation nicht abfedern können“, ergänzte auch Reiner Hoffmann. Stattdessen brauche es einen „handlungsfähigen Staat, der die sozialen Nöte abfedert“. Nur so könnten die Hilfen auch bei denjenigen ankommen, die unter der Inflation am meisten leiden. „Natürlich geht es nicht zum Nulltarif“, ist sich auch Hoffmann im Klaren. „Hier müssen sich starke Schultern an der Finanzierung unseres Gemeinwohls beteiligen.“