Mülheim. Kuriose Abstimmung im Ausschuss: Mülheim tritt Initiative von 640 Städten bei, die möglichst flächendeckend Tempo 30 will. Was das bedeutet.

Es war wohl eine Mischung aus Freude und Unglauben als im Hauptausschuss die Stimmen gezählt wurden. Doch nun steht fest: Mülheim schließt sich der Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“ an. Die will durchsetzen, dass in Städten viel einfacher überall dort Tempo 30 angeordnet werden kann, wo es Politik oder Verwaltung für notwendig hält. Bemerkenswert: Die Koalition von CDU und Grünen enthielt sich dabei.

Und machte so die Bahn frei für die „Sternstunde der Demokratie und einem einmaligen Triumph“, wie der Initiator des Antrags, Andreas Preker-Frank (Die Partei), mit launiger Überspitzung kommentiert. Erwartet hatte er nicht, dass sich die kleine Satire-Partei mit dem Coup durchsetzen würde. Doch die Koalition konnte sich auf keine gemeinsame Linie einigen und enthielt sich bei der Abstimmung „aus gegenseitigem Respekt“, wie der Vorsitzende des Mobilitätsausschusses Timo Spors (Die Grünen) sagt.

Steilvorlage für die SPD: „Wir können nicht mehr so weitermachen wie bisher“

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Somit führte die SPD den entscheidenden Streich und überstimmte gemeinsam mit der Partei die Gegenstimmen aus FDP, AfD und MBI. Für die SPD-Fraktionsvorsitzende Margarete Wietelmann ist das nicht nur eine Steilvorlage gewesen und ein Zugeständnis an die „jungen Leute in unserer Partei“; sie sieht ebenso gute Gründe für ein möglichst großflächiges Tempo 30, um die Sicherheit und das Klima zu verbessern: „Wir leben heute in anderen Verkehrsverhältnissen als noch zu der Zeit als man Tempo 50 in den Städten beschlossen hat. Wir können nicht mehr so weitermachen wie bisher.“

Doch mit dem Beschluss, der Initiative als eine von inzwischen 640 deutschen Kommunen – darunter Duisburg, Oberhausen und Bottrop – beizutreten, hat sich nur der politische Druck auf den Bund und das Verkehrsministerium von Volker Wissing (FDP) erhöht. „Das Interesse an ,Tempo 30’ wächst schon länger“, betont aber Spors, der mit dem Ergebnis im Hauptausschuss nicht unzufrieden ist: „Wäre die Forderung schon im Bund umgesetzt worden, hätten wir als Koalition im letzten Jahr es einfacher gehabt, Tempo 30 auf bestimmten Mülheimer Straßen durchzusetzen.“

Glücklich zeigte sich im November 2021 die Bezirksbürgermeisterin Elke Osterwind zur Errichtung eines Tempo-30-Bereichs an der August-Thyssen-Straße. Für die Reduzierung hier und an weiteren Straßen Mülheims hatte die Koalition stark kämpfen müssen. Das könnte durch die Initiative auf Bundesebene bald einfacher werden.
Glücklich zeigte sich im November 2021 die Bezirksbürgermeisterin Elke Osterwind zur Errichtung eines Tempo-30-Bereichs an der August-Thyssen-Straße. Für die Reduzierung hier und an weiteren Straßen Mülheims hatte die Koalition stark kämpfen müssen. Das könnte durch die Initiative auf Bundesebene bald einfacher werden. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

CDU stand Beschluss nicht im Weg, hat aber Zweifel an der Akzeptanz

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Denn lokal – so Spors – wisse man am besten, wo weniger Geschwindigkeit für die Sicherheit etwa des Radverkehrs sinnvoll sei. Und auch für das Klima: Im gerade beendeten zweiten Klimaworkshop der Stadt sei Tempo 30 als Maßnahme, CO2 zu senken, noch einmal vorgeschlagen worden. Wann der Bund diese Entscheidungskompetenz den Städten und Gemeinden zusprechen wird, ist allerdings noch ungewiss.

Der Koalitionspartner CDU schluckte diesmal die Kröte und ließ die Finger bei der Abstimmung unten. Zweifel gibt es erwartungsgemäß doch, daraus macht CDU-Hauptausschussmitglied Roland Chrobok keinen Hehl: „Man muss abwarten, was eine Umsetzung genau heißt. Wir haben aber Zweifel an der Akzeptanz zum Beispiel eines durchgehenden Tempo 30 oder an einer PKW-freien Innenstadt.

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