Mülheim. Die Mülheimer Politik drängt auf mehr Windkraft im Stadtgebiet, die Verwaltung wartet auf Vorgaben des Landes. Werden sie den Ausbau bremsen?

Fünf Windräder müssten in Deutschland wohl entstehen, wenn die Energiewende vorankommen will – also pro Tag: Das einzige auf Mülheimer Stadtgebiet existierende in Styrum hatte schon Jahre gebraucht und zwei weitere im Umfeld mit womöglich zusätzlich vier Megawatt lassen voraussichtlich noch länger auf sich warten. Einer vorauseilenden Planung an anderen Orten erteilte Umweltdezernent Felix Blasch zudem im Umweltausschuss eine Absage: Warum die Windenergie in Mülheim gerade Flaute hat.

Denn eigentlich hatten Grüne und CDU den Ausbau der Mülheimer Windkraft beschleunigen wollen, wenigstens drei hatten die Grünen im Wahlkampf versprochen: „Über das Instrument der isolierten Positivplanung sollen Kommunen, die bereits Windkonzentrationsflächen ausgewiesen haben, diese vergrößern können“, beantragte die Koalition im Ausschuss. Der Norden Mülheims gehörte mit dem Windrad im Styrumer Ruhrbogen (2,3 Megawatt) dazu. Doch Blasch bremste: Das Land bereite gerade sogenannte Windenergieflächen vor, für die bestimmte Beitragswerte gelten sollen.

Land macht Tempo: Bis 2025 sollen 1,8 Prozent Windkraftfläche ausgewiesen sein

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Wie viele Windkraftanlagen wo möglich oder sogar zulässig wären, ist für das Gebiet Mülheim zwar noch nicht festgelegt, orientiert sich aber am „Windenergieflächenbeitragsgesetz“. Bis 2027 sollen 1,4 Prozent der Bundesfläche für Windkraftanlagen ausgewiesen werden, bis 2032 sollen es zwei Prozent sein. Hand darüber haben aber die Länder, die solche Flächen selbst regional ausweisen.

Nach Angaben des Landes NRW drückt man hier aufs Tempo: 1,8 Prozent der Landesfläche will man sogar bis 2025 zur Verfügung stellen – also deutlich schneller und über die Bundesvorgabe hinaus. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) will jedoch eine „gerechte Verteilung“ von Windenergieanlagen auf sechs Planungsgebiete vornehmen.

Im RVR-Gebiet um Mülheim ist eigentlich weniger Fläche vorgesehen

Das bedeutet womöglich für Mülheim eine geringere Zahl von Windrädern: Denn der Landesregierung zufolge soll keine Planungsregion mehr als 75 Prozent ihrer Potenzialflächen für die Windenergie zur Verfügung stellen müssen. Und man will auch nicht mehr Flächen bereitstellen als vom Bund vorgesehen (2,2 Prozent der Gesamtfläche).

Das wirkt sich im Detail bisweilen sehr unterschiedlich aus: Die Planungsregion RVR (Kreis Wesel bis Hamm) – zu der Mülheim zählt – hat sogar nur das Teilflächenziel von 0,46 Prozent (2036 Hektar). Und dabei würden bestehende Windenergieanlagen und geeignete bestehende Planungen, zum Beispiel in Mülheim, schon berücksichtigt.

Das Land beteuert auf Anfrage, den Kommunen beim Ausbau von Windenergie nicht im Wege stehen zu wollen: „Zusätzlich zu diesen regionalplanerischen Verfahren können Kommunen auch weitere Flächen für die Windenergie vorsehen. Solche Planungen werden häufig als zusätzliche „Positivflächen“ bezeichnet. Für die Energiewende sind solche Flächen sogar besonders wertvoll, da so sehr zeitnah und schon vor den Landes- und Regionalplanänderungen planerisch Flächen für die Windenergie ermöglicht werden können.“

Umweltdezernent Blasch: „Alle Städte warten derzeit auf das Land“

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Doch im Umweltausschuss klang dies anders: „Aufgrund des engen Zeitplans zur Ausweisung von Windenergieflächen in den Regionalplänen ist nicht zu erwarten, dass neue Positivplanungen noch in die Flächenkulisse des Regionalplans übernommen werden können“, blieb Blasch zurückhaltend. Zusätzliche Konzentrationszonen müssten dafür ohnehin bis zum 1. Februar 2024 eingereicht werden. Zeitlich sei das also zu knapp: „Alle Städte warten derzeit auf das Land“, so Blasch.

Also doch abwarten statt anpacken? Wie vertrackt die Lage für die Stadt ist, die Klimaneutralität für 2035 erreichen will und dafür jede Menge Energie benötigen würde, zeigte die anschließende politische Diskussion. „Das heißt nicht, dass wir keine Flächenpotenziale haben“, unterstrich Oliver Hinsel (Grüne), die Stadt möge selbst Flächen ausweisen.

Keine Flächenpotenziale für Windenergie in Mülheim?

Daniel Mühlenfeld (SPD) drehte dies angesichts der langwierigen Genehmigungsverfahren noch ein Stück weiter: „Wir müssten schon vorgestern damit angefangen haben, um 2030 Erträge zu bekommen.“

Eine Planung weiterer Windräder außerhalb des Ruhrbogens scheint aber aktuell fraglich. Denn für Mülheim soll das Lanuv sogar „keine Flächenpotenziale für die Windenergie identifiziert haben“, teilte Blasch zur Verwunderung der Politik mit. Eine Angebotsplanung für Mülheim sei nicht zielführend und auch personell kaum zu leisten, bewertete der Dezernent – schon gar nicht ohne einen konkreten Investor am Horizont: „Sofern sich Investoren wegen einer Realisierung von Windenergieanlagen an die Stadt wenden und über entsprechende Grundstücke verfügen, ist im Einzelfall die Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans zu erwägen.“

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