Mülheim. Seit fünf Jahren werkelt Oberhausen an einem schnellen Radanschluss nach Mülheim und zum RS1. Das sind die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie.
Mehrere Millionen Radpendler und -touristen im Jahr könnten auf der Ost-West-Achse über den RS1 durch Mülheim fahren. Doch was ist mit der ebenfalls wichtigen Nord-Süd-Verbindung nach Oberhausen und Bottrop? Angestoßen 2017 durch die Oberhausener Bürgerinitiative „Impulswerkstatt“ und nach rund fünf Jahren Planungszeit ist nun eine lang ersehnte Machbarkeitsstudie zum Hiberniadamm fertig. Der soll Mülheims Radelnde schnell mit dem Norden verbinden und einer verwilderten Bahntrasse neuen Nutzen bringen. Doch es gibt auch kritische Anmerkungen.
Über den Hiberniadamm an der Mülheimer Grenze sollen künftig Radfahrer nordwärts rauschen, so die Studie. Die im Moment noch stark verwachsene Bahntrasse führt hinter dem Bahnhof Styrum in einem Bogen entlang der Dachsstraße sowie parallel zur namensgebenden Hiberniastraße in den Norden zur Styrumer Grenzstraße kurz vor den Oberhausener Hauptbahnhof. Von dort aus – so die Überlegungen der Nachbarstadt, die die Machbarkeitsstudie erarbeitet hat – kann eine Radstrecke weitgehend autofrei sogar bis nach Bottrop führen.
Radschnellweg gen Norden zielt auf den Alltagsverkehr
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14,43 Kilometer lang soll der Radschnellweg nach Bottrop werden, doch was kann die Hibernia-Trasse leisten? Nicht nur, dass Nachbarstädte wie Oberhausen und Bottrop sich durch einen bislang fehlenden Anschluss an den RS1 von einer zukunftsweisenden Mobilitätswende im Ruhrgebiet abgehängt sahen: Entlastend für den Autoverkehr könnte die Nord-Süd-Schnellstraße in allen drei Städten wirken. Von Mülheim aus pendelten im Jahr 2021 etwa 4253 Menschen täglich nach Oberhausen, umgekehrt kamen 6850 von dort aus in die Ruhrstadt. Von Bottrop fuhren immerhin noch 1154 nach Mülheim, 434 waren es umgekehrt.
Ab 2000 Radlern pro Tag gilt ein ausgebauter Radschnellweg als gerechtfertigt – das wäre erreicht, wenn nur jeder fünfte Pendler das Fahrrad nutzen würde. Und das beträfe allein den Berufsverkehr, die Freizeitfahrten kämen oben drauf. Mülheim könnte weiter zur Drehscheibe werden für den Alltagsverkehr wie den Radtourismus.
Stadtplanung hat den Anschluss schon gelegt
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In Mülheim hat man sich auf den möglichen Anschluss an die Hibernia-Trasse längst vorbereitet. Im März 2021 hatte die Stadt eine wichtige Verbindungslücke an der Siegfriedstraße zwischen Brücke und dem Stadtpfad Styrum geschlossen, der parallel zur Albertstraße zum Bahnhof Styrum führt.
Richtung Müga und damit zum RS1 führt die Strecke weiter über den Styrumer Damm und die Bergstraße. Damit wäre eine zukünftige Hiberniatrasse sogar fast durchgehend kreuzungsfrei angeschlossen an den RS1 – Ausnahme: die Autokreuzung an der Bergstraße.
Doch es ginge sogar besser: Inzwischen steht noch ein zweiter Anschluss in Aussicht, wenn die Stadt einen Radweg durch das noch zu konzipierende Gebiet „Mülheim-West“ von der Aldi-Verwaltung bis in die Innenstadt zur Ruhrpromenade zöge.
Direkter ginge es über das neue Gebiet Mülheim-West
Die bisherigen Planungsszenarien der Stadt haben einen solchen Radweg auf dem Schirm, begrüßt dies der Allgemeine Deutsche Fahrradclub Mülheim (ADFC). Aus Sicht des ADFC aber seien weitere Planungsschritte zu beachten. So müsste der Radschnellweg nach Oberhausen zunächst jenen Anschluss an den RS1 durch eine Fahrradrampe erhalten. Die ist in Mülheim schon seit langem im Gespräch, bisher aber führt gelegentlich ein Aufzug, zuverlässiger aber eine Treppe nach oben.
Ferner könne dem ADFC zufolge der Radschnellweg nicht einfach entlang einer langen Promenade bis nach Styrum verlaufen, sondern müsse zur Sicherheit auch baulich von der Promenade getrennt werden. „Die Planungen müssen für das Gewerbegebiet Mülheim-West ausreichend Fläche für die Verbindung berücksichtigen“, fordert der ADFC. Um auch Steigungen zu vermeiden, solle der Weg über das Gelände von Thyssenkrupp-Schulte ebenerdig an den Styrumer Damm bei Aldi-Süd anschließen. Die Planung sieht bislang den Anschluss an die bestehende Holzbrücke am Damm vor. Die Strecke machte dann aber einen 360-Grad-Schwenk und führte anschließend auf eine Steigung.
ADFC sieht notwendige Verbesserungen am Styrumer Bahnhof
Die spätere Querung an der recht schmalen Siegfried-Brücke empfiehlt der Fahrradclub aus Kostengründen nur dann für den Radverkehr zu verbreitern, wenn diese irgendwann neu gebaut würde.
An zwei Stellen der Studie sieht der ADFC allerdings dringenden Nachbesserungsbedarf: So lassen die Planer der Studie den Schnellweg am Bahnhof Styrum augenscheinlich mit dem Fußgängertunnel in den Bahnhof sowie dem Parkplatz kreuzen. Um aber Konflikte zu vermeiden, sollte eine Brücke über den Tunnel und den Parkplatz auf das Niveau des späteren Hiberniadamms führen. Eine weitere, vielleicht kostengünstigere Möglichkeit sieht Peter Beckhaus auch, wenn der Radweg schon zuvor über das Bahngelände geführt werden könnte.
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Zu guter Letzt sollten ebenfalls die dahinter liegenden Supermärkte und Discounter einen Weg auf den Damm erhalten. „Viele Kundinnen und Kunden aus Mülheim und Oberhausen würden davon profitieren. Wir gehen davon aus, dass das auch im Eigeninteresse der Einzelhändler wäre und diese den Anschluss sogar unterstützen oder selbst umsetzen würden“, sagt Beckhaus.
Die Frage nach den lieben Kosten
Bleibt die Frage der Kosten: Ein Nutzen-Kosten-Vergleich ist noch in der Arbeit. Den Aufwand für 14,43 Kilometer beziffern die Planer mit 32,5 Millionen Euro. Einige Brücken auf Oberhausener Gebiet lassen die Kosten stark ansteigen. Der Anteil für das Mülheimer Gebiet beträgt nach dieser Rechnung rund 7,3 Millionen. Im Vergleich: Ein Kilometer Autobahn kann zwischen sechs und 20 Millionen Kosten. Der Ausbau der A59 in Duisburg etwa soll sich bei 69 Millionen Euro pro Kilometer unter die teuersten Straßenbauprojekte eingependelt haben, in Hamburg ist man mit dem Ausbau der A7 bei 97 Millionen/km.
Die Planer gehen aber davon aus, dass die Strecke zu 94 Prozent den gebotenen Radschnellwegstandard erfüllen kann und somit zu 90 Prozent mit Landesmitteln förderfähig wäre. Dennoch will man in Oberhausen, so ein Sprecher der Stadt, sehr genau auf das Nutzen-Kosten-Verhältnis achten.
Von einer Fertigstellung ist man nicht nur in Oberhausen aber noch weit entfernt: Hier rechnet man mit einem politischen Beschluss frühestens in diesem Jahr, so ein Sprecher. Und selbst dann müssten anschließend die Förderanträge gestellt werden. In Mülheim hingegen bereitet man noch den Wettbewerb vor zur Entwicklung von Mülheim-West. Der soll im Sommer anlaufen und bis zum Jahresende entschieden sein. Im Anschluss kann erst das Baurecht geschaffen werden.