Mülheim. Ganz nah dran an der Energiewende waren unsere Abonnenten beim Besuch von Siemens Energy in Mülheim. Wo der Strom der Zukunft herkommen soll.
Was kommt nach Kohle und Atomstrom? Gibt es auch in Zukunft noch stabile Netze? Die großen Fragen der Menschheit im 21. Jahrhundert beschäftigen die Mitarbeiter von Siemens Energy in Mülheim jeden Tag. An welchen Lösungen der Konzern tüftelt, der in Mülheim vor allem Entwicklungsarbeit leistet, erfuhren jetzt 17 Leserinnen und Leser bei einem exklusiven Blick hinter die Kulissen.
Die Zukunft von Siemens Energy in Mülheim und ein wichtiger Baustein für die Energieversorgung im Allgemeinen steht in Halle 81: ein Koloss aus Rohren und Stahl. Wie sich herausstellt, handelt es sich um Komponenten für einen Elektrolyseur, der mittels Elektrolyse Wasserstoff erzeugt. Strom aus Wasserstoff ist eines der großen Zukunftsthemen. Und ein umso größeres Thema am Standort Mülheim. „Wir sind eines der führenden Unternehmen auf dem Markt“, sagt Nevzat Oezcan. Aber auch in diesem Bereich seien noch viele Fragen offen. „Wie kriegt man Wasserstoff zum Verbraucher? Bei der Infrastruktur muss noch viel passieren“, sagt der Experte.
Die weltberühmte Scholz-Turbine steht gut verpackt in der Ecke
Bei dem Gedanken ist der Sprung zur großen Politik nicht weit und natürlich lassen es sich die Leserinnen und Leser nicht nehmen, nach der Scholz-Turbine zu fragen. Jener berühmten Turbine, die eigentlich für die Gas-Pipeline Nordstream 1 bestimmt war, aber dann nach weltpolitischen Verstrickungen in Mülheim hängenblieb. Da half es auch nicht, dass sich Bundeskanzler Olaf Scholz vor der Turbine ablichten ließ, um zu beweisen, dass sie lieferfähig ist. „Die steht gut verpackt da hinten“, sagt der Standortleiter und deutet in einen unbestimmten Winkel der riesigen Halle. Sie sei voll funktionstüchtig „tip top, da leckt auch nichts“, sagt er nicht ohne trockenes Grinsen.
Auch in der Generatorenhalle dreht sich alles um die Zukunft und zwar in Form von Phasenschiebern. Das sind Generatoren, die genau andersherum funktionieren. Phasenschieber laufen im Stromnetz mit und helfen bei einem Spannungsabfall das Netz zu stabilisieren, indem sie Energie aufnehmen. Vor einigen Jahren waren höchstens Millisekunden zu überbrücken. Mit dem steigenden Anteil alternativer Energien im Energie-Mix kommt es jedoch immer häufiger zu Unterbrechungen. Siemens Energy arbeitet an Geräten, die mehrere Minuten lang stabilisieren können. „In etwa zwei Jahren ist die neueste Generation marktreif“, schätzt der Standortleiter. Insgesamt geht er davon aus, dass der Forschungsstand von Siemens Energy weltweit um etwa sechs Jahre voraus ist.
Leserinnen und Leser brachten Fachwissen mit
Der Bau von Generatoren und Schwungrädern ist für Siemens Energy altbekanntes Terrain. Hier kann sich der Konzern auf sein jahrzehntealtes Fachwissen verlassen. Das wird beim weiteren Rundgang deutlich. Riesige Turbinenteile drehen sich auf den Prüfständen. „Ich fühle mich wie zu Hause“, sagt Joachim Föhrer. Der Rentner hat einst selbst in der Hattinger Henrichshütte Turbinen vermessen. Er macht bei dem Rundgang mit, um in alten Zeiten zu schwelgen. Ganz anders Marvin Jansen, Student der Verfahrenstechnik in Bochum, der hier ist, um von der Theorie in die Praxis zu finden. „Normalerweise sieht man den Turbinenbau nur in Büchern. Das ist schon spannend hier“, sagt er.
Beeindruckt reagierten die Besucher auch auf die Handarbeit, die beim Zusammenbau der Rotoren mit den einzelnen Schaufeln nötig ist. „Ob eine Schaufel richtig eingesetzt ist, hört man am Klang. Das ist hohe Handwerkskunst“, sagt der Standortleiter. Am Ende des Rundgangs sind die Leserinnen und Leser eingeladen, dem Standortleiter noch bei einem Stück Kuchen ihre Fragen zur Zukunft zu stellen. Sandra Krumme, Professorin für Nuklearmedizin, ist froh, dass sie den Ausflug in diese fremde Welt gewagt hat. „Siemens ist so ein großes Unternehmen in Mülheim. Es ist schön zu sehen, was hier geschieht. Zumal das Thema Energie ja wirklich jeden beschäftigt.“
75 Jahre WAZ – 75 besondere Aktionen für Leserinnen und Leser
Am 3. April 2023 feiert die WAZ ihren 75. Geburtstag. Mit exakt 75 Aktionen laden wir Sie, liebe Leserinnen und Leser, zum Mitfeiern ein. Sechs Aktionen wird es in diesem Jahr in Mülheim geben. Im August steht ein Besuch im Max-Planck-Institut für Kohlenforschung inklusive „Meet and Greet“ mit Nobelpreisträger Ben List an. Außerdem gibt es eine exklusive Führung auf und unter der Ruhrtalbrücke der A 52 in Mintard. Einen Überblick über alle geplanten Veranstaltungen gibt es hier.