Mülheim. Früher machten Boten hier ‘ne Pause und wechselten die Pferde. Wirtin Boza Skorupa ist stolz auf die Historie ihrer Kneipe. Wo sie zu finden ist.
„Die Geschichte dieses Hauses als Gaststätte reicht bis ins Jahr 1886 zurück“, erklärt Wirtin Boza „Bo“ Skorupa. „Das war hier eine Poststation, wo Kutscher ihre Pferde gewechselt, Pause gemacht haben und eine Kleinigkeit gegessen und getrunken wurde.“ Das „hier“ ist das Spiekers Eck in Eppinghofen. Seit 26 Jahren ist „Bo“ Skorupa die Chefin. „Ein Leben lang war es mein Schönstes, hinter der Theke zu stehen“, sagt sie mit einer solch herzlichen Eindrücklichkeit, dass man es ihr sofort glaubt.
Über die Jahre und die beinahe eineinhalb Jahrhunderte entwickelte sich der Betrieb zur heutigen, klassischen Eck-Kneipe mit langer Theke. Das „Spiekers Eck“ könnte man deshalb augenzwinkernd gleichzeitig als ein gutes und ein schlechtes Beispiel für den Start in Mülheims Kneipenszene betrachten. Denn einerseits ist es nach Aussage der Wirtin Boza „Bo“ Skorupa zwar die älteste Kneipe der Stadt, doch andererseits sieht die Chefin die Räumlichkeiten im Erdgeschoss des Eckhauses Eppinghofer Straße 186 weniger als ihren Arbeitsplatz als vielmehr ihr persönliches Wohnzimmer.
Drei Ausbildungen, ein Herzenswunsch: Wirtin
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Dabei hätte sie zahlreiche andere berufliche Alternativen gehabt. „Ich habe drei abgeschlossene Berufsausbildungen. Als Erstes lernte sie Schneiderin. „Ich wollte gerne Modezeichnerin werden. Als das nicht so klappte, wie geplant, lernte sie Technische Zeichnerin bei der Kraftwerksunion (KWU), die später ein Teil von Siemens wurde. „Ich habe das Generator-Konzept für das Kernkraftwerk in Kalkar gezeichnet – das dann ja nie gebaut wurde“, ergänzt sie mit einem Lächeln. Als dritte Ausbildung kam dann die Einzelhandelskauffrau hinzu. Ungeachtet dessen hing ihr Herz an der Arbeit hinter der Theke, weshalb sie immer wieder auch dort tätig wurde.
1997 ergab sich dann die Möglichkeit, das „Spiekers Eck“ zu übernehmen. Wenig überraschend zögerte Skorupa keine Sekunde und übernahm die Kneipe von ihrer Vorgängerin. „Wir haben hier alles renoviert.“ Angrenzend an den rund 60 Quadratmeter großen Schankraum schließt sich, über wenige Stufen erreichbar, ein weiterer Raum von rund 80 Quadratmetern an. Dort bestreiten die beiden hier heimischen Steel Dart-Mannschaften ihre Heimspiele. Ich hab´ die „Kakadu Darts“ 1984 mit gegründet – in Styrum“, erinnert sich Skorupa. Als sie dann ihre eigene Kneipe übernahm, wechselte auch das Dart Team von der anderen Ruhr-Seite an die Eppinghofer Straße.
Viel Historie zwischen E-Dart und Herr-der-Ringe-Flipper
Um die 80 Quadratmeter nutzbar zu machen, musste zuvor die alte Einrichtung entfernt werden – und die bestand zum Teil aus Räumlichkeiten einer alten Metzgerei. „Da stand ein riesiger Siede-Kessel drin. Das musste Alles raus.“ Gemeinsam mit ihrem Mann Torsten verlegte sie in der ganzen Kneipe rund 600 Meter neue Stromkabel. „Dabei haben wir Kabel gefunden, die so alt waren, dass sie noch mit Stoff ummantelt waren! Es gab hier vorher nur eine einzige Sicherung. Als wir mal mit neun Raclettes feiern wollten, war sehr schnell Feierabend!“ Der Boden in ihrer Kneipe sei noch Original von 1908 und schon zweimal aufbereitet worden, freut sich die Wirtin.
In einem weiteren, deutlich kleineren Raum kann gespielt werden. Spiel-Automaten und auch E-Dart-Scheiben warten hier auf Menschen, die Freude daran haben. Neben den zwei Steel Dart-Mannschaften trainieren und spielen hier auch zwei E-Dart Teams. Der Hingucker in diesem Raum ist aber unzweifelhaft der Herr-der-Ringe-Flipper. Nach Corona hat mir der Automaten-Aufsteller die Wahl gelassen – und da ich großer Fantasy-Fan bin, fiel will die Wahl auf ‚Herr der Ringe‘. Ich habe Tolkien gelesen, als ich 14 war!“, erinnert sie sich.
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„Meine Kneipe bedeutet für mich Freunde und Glücklichsein“
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„Bo“ Skorupa könnte eigentlich im nächsten Jahr in Rente gehen, verschwendet aber keinerlei Gedanken an diese für Sie nahezu absurde Vorstellung. „Ich hab´ mir hier mein eigene kleine Welt geschaffen. 95 Prozent der Menschen hier sind Stammgäste“, erklärt sie. „Heute ist niemand hier, den ich nicht mit Vornamen kenne. Einmal in 26 Jahren habe es eine Situation gegeben, in der Ärger unter Gästen in der Luft lag. Passiert sei dann aber doch nichts“, erinnert sich Skorupa. „Meine Kneipe bedeutet für mich Freunde, Freundlichkeit und Glücklichsein. Das ist mein Leben. Ich bin hier, weil ich die Menschen liebe und habe hier viel reingesteckt aber noch viel mehr rausbekommen“, resümiert sie.
Dementsprechend schrecklich sei auch die Corona-Zeit für sie gewesen. „Mein Mann ist jeden Tag zur Arbeit gegangen und ich bin zuhause alleine eingegangen. Er half ihr, das Geschäft durch die Lockdowns zu bekommen. „Alleine hätte ich das Alles nicht bezahlen können. Es kam ja nix rein, als geschlossen war.“ In nahezu jedem Satz schwingt die Dankbarkeit ihrem Mann gegenüber mit. Diese Durststrecke ist nun vorbei und so können alle ihren Durst wieder im „Spiekers Eck“ stillen, das wochentags ab 16 Uhr und am Wochenende und an Feiertagen ab 18 Uhr geöffnet ist – „bis keiner mehr da ist“, erläutert „Bo“ Skorupa die Öffnungszeiten. Montags ist Ruhetag.