Mülheim. Schon jetzt sind Gänseküken an Mülheims Ruhr zu sehen – normalerweise schlüpfen sie erst deutlich später. Welche Auswirkungen das haben könnte.

Sie sind klein, flauschig und vor allem eines - zu früh dran. Die Küken der Wildgänse. Sie staksen bereits jetzt über die Wiesen am Ruhrufer. Dabei würden sich die Elterntiere normalerweise erst im März und April paaren. Eine Mülheimer Natur-Expertin erklärt, warum nicht nur die Wasservögel in diesem Jahr deutlich eher aktiv sind als sonst.

Sie sehen putzig aus, wie sie auf ihren platten Füßchen am Ufer der Ruhr umhertapsen. Doch so ganz mag der Anblick der Gänseküken nicht passen, schließlich haben wir erst Mitte Februar, die Natur fängt gerade erst an auszutreiben. „Einige der Gänse an der Ruhr wie etwa die Kanadagans müssen in diesem Jahr besonders früh angefangen haben, denn sie haben mit 28 bis 30 Tagen auch noch eine längere Brutzeit“, schildert die zweite Vorsitzende des Mülheimer Naturschutzbundes (Nabu), Elke Brandt. Die Paarungszeit der Wasservögel liegt eigentlich im März und April, entsprechend schlüpfen die Jungen normalerweise zwischen April und Juni.

Wenn die Winter mild sind, legen die Vögel in Mülheim früher ihre Eier

Witterungsbedingt verschöben sich seit längerem schon die Zeiten, in denen Wildtiere wie die Gänse ihre Jungen bekämen, hat die Expertin beobachtet. „Es verlagert sich nach vorne“, sagt Brandt. „Auch die Kleinvögel wie Meisen inspizieren schon Bruthöhlen.“ Das begünstigte Großstadtklima trage neben einem milden Winter zusätzlich dazu bei.

Immer im Blick haben die Elterntiere ihre kleinen Kanadagänse. Die Wasservögel ernähren sich hauptsächlich von Gras, das schnell nachwächst, selbst wenn es im Frühjahr noch mal Frost gibt, erklärt die zweite Vorsitzende des Mülheimer Naturschutzbundes, Elke Brandt.
Immer im Blick haben die Elterntiere ihre kleinen Kanadagänse. Die Wasservögel ernähren sich hauptsächlich von Gras, das schnell nachwächst, selbst wenn es im Frühjahr noch mal Frost gibt, erklärt die zweite Vorsitzende des Mülheimer Naturschutzbundes, Elke Brandt. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

Bei manchen Arten könne das frühe Schlüpfen der Küken hintenraus zum Problem werden, wenn nicht genug Futter für alle da sei. Meisen etwa reagierten mit einer Zweitbrut, wenn sie im Frühjahr ihre Küken verlieren, sei es durch Kälteeinbruch, Fressfeinde oder zu wenig Nahrungsangebot, wenn es nicht genügend Insekten gibt. „Die Natur kann solche Ausfälle kompensieren und reguliert sich in der Regel. Tragisch wird es allerdings bei bedrohten Arten“, sagt die Nabu-Fachfrau.

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Elke Brandt aus dem Vorstand des Mülheimer Nabus registriert, dass sich das Brutverhalten von Vögeln witterungsbedingt verschiebt, wenn die Winter mild sind.
Elke Brandt aus dem Vorstand des Mülheimer Nabus registriert, dass sich das Brutverhalten von Vögeln witterungsbedingt verschiebt, wenn die Winter mild sind. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Tückisch könne die frühe Brut für Küken werden, da es derzeit noch nicht viel Deckung gibt – Bäume und Sträucher sind mehrheitlich noch ohne Blätter. Probleme könne auch der Kuckuck bekommen, der ein Brutschmarotzer ist, seine Eier also in fremde Nester legt und dort von anderen Vögeln ausbrüten lässt. „Als Zugvogel ist er zeitweise nicht in Mülheim, wenn er dann zurückkommt, sind die möglichen Zieheltern seiner Küken schon längst fertig mit dem Brüten und er wird seine Eier nicht los.“

Die kleinen Gänse, die jetzt schon am Ruhrufer unterwegs sind, haben laut Elke Brandt ganz gute Chancen zu überleben, sofern sie nicht Fressfeinden zum Opfer fallen. „Gänse sind Vegetarier, sie fressen vor allem Gras, das erfriert nicht so leicht und wächst schnell nach.“ Gegen Kälte seien sie gut gewappnet: „Als Nestflüchter sind sie für ungünstiges Wetter gerüstet.“