Mülheim. Die Kunsthistorikerin Dr. Sarah Hülsewig erforscht die Grafische Sammlung des Mülheimer Museums genau. Manches Werk hat eine unklare Geschichte.
Kunstwerke haben ihre Geschichte. Bei manchem Schatz der Grafischen Sammlung im Mülheimer Kunstmuseum ist diese allerdings nur lückenhaft dokumentiert. Dr. Sarah Hülsewig soll Detektivarbeit leisten. Die neue Forschungsvolontärin im Museumsteam wird die rund 10.000 Werke, darunter Zeichnungen, Druckgrafiken, Mappenwerke und Künstlerbücher, wissenschaftlich unter die Lupe nehmen – und hoffentlich so manches Geheimnis lüften.
Ein Beispiel dafür, was sie so untersuchen wird in den kommenden zwei Jahren, kann die Kunsthistorikerin aus Essen, die an der Universität Düsseldorf studiert hat, schon geben. Sie zeigt den farbigen Holzschnitt „Der Hirte mit der großen Ziege“ von Heinrich Campendonk aus dem Sammlungsbestand und erklärt: „Die Arbeit stammt von 1920, 1989 wurde sie vom Mülheimer Museum angekauft. Was in der Zwischenzeit mit dem Werk passiert ist, ist nicht festgehalten. Das versuche ich herauszufinden.“
Digitalisierung der Bestände wurde in letzten Jahren forciert
Provenienzforschung nennt man diese Ermittlungen, die 33-Jährige hat sich auf diesen Forschungsschwerpunkt schon im Masterstudium spezialisiert. Dass sie nun zusammen mit Sammlungskuratorin Dr. Anja Bauer-Kersken die Grafische Sammlung erforschen und die Kunstwerke auf ihre Provenienz hin checken kann, bezeichnet sie als „Glücksfall und Riesenchance“. Im Mittelpunkt der Arbeit sollen dabei die zwischen 1945 und den 80er-Jahren getätigten Ankäufe für die Grafische Sammlung stehen. Meisterwerke großer Künstler – in allen erdenklichen Techniken – zählen dazu.
Auch der Digitalisierung der Bestände werde man sich intensiv widmen. „Während der Zeit der Museumssanierung war es ohnehin eine unserer Hauptaktivitäten, die Sammlungsarbeit zu professionalisieren und eine digitale Datenbank aufzubauen“, berichtet Museumsleiterin Dr. Beate Reese.
Mülheimer Kunstmuseum hatte lange kein eigenes Haus
Das Forschungsvolontariat, zu dem Sarah Hülsewig im Januar angetreten ist, ist eins von 29 Volontariaten an 20 Museen in NRW, die das Land im Rahmen eines Förderprogramms mit 90 Prozent der Personalkosten ermöglicht. Die Museen konnten Pläne für Forschungsprojekte einreichen, das Mülheimer Museum überzeugte die Jury und konnte eine Stelle ausschreiben. Rund 20 junge Kunsthistoriker bewarben sich, Sarah Hülsewig passte gut zum Anforderungsprofil. Sie hatte auch schon als Studentin Berufserfahrung als Praktikantin in Museen oder als freie Kunstvermittlerin gesammelt und ihre Doktorarbeit über „eine Methode, mit der man Bildzitate untersuchen kann“, geschrieben.
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Dass die Sammlungen des Kunstmuseums zeitweise gar nicht bearbeitet wurden, hat Gründe. „Nach 1945 hatte das Mülheimer Museum ja gar kein festes Haus, erst ab 1970 konnte ein Gebäude an der Leineweberstraße genutzt werden, 1994 zog man in die Alte Post. Eine professionelle Sammlungsarbeit nach den heutigen Standards war lange nicht möglich“, erklärt Beate Reese. Das alles nachzuholen sei in zwei Jahren Volontariat natürlich nicht zu schaffen, aber ein Anfang sei gemacht. Die Rechercheergebnisse sollen dokumentiert werden – und „irgendwann der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden“.
Wiedereröffnung des Mülheimer Museums verschiebt sich
Die Mülheimerinnen und Mülheimer müssen auf die Wiedereröffnung des Museums übrigens noch länger warten, als Ende 2022 angekündigt. Wegen technischer Probleme wird sie vermutlich auf den Spätsommer verschoben. Sarah Hülsewig kann aber schon starten mit ihrer Suche nach Ungereimtheiten im Lebenslauf der Kunstwerke.