Mülheim. Die junge Geigerin Liv Migdal entstammt dem Ruhrgebiet: Am Freitag feierten die Mülheimer die aufstrebende Violinsolistin in der Stadthalle.

Besonders gut gefüllt war die Stadthalle am Freitagabend zum 5. Sinfoniekonzert: Lag es am romantischen Programm mit Brahms, Sibelius und Dvorak, am renommierten Göttinger Symphonieorchester mit dem namhaften Dirigenten Nicholas Milton am Pult – oder an der aufstrebenden Violinsolistin Liv Migdal? Alle Erwartungen wurden erfüllt.

Dabei war der erste Teil geprägt von eher düsterer, ernsthafter Tonsprache, alles in d-Moll: Brahms‘ Tragische Ouvertüre ist dramatisch und tragisch im Charakter, obwohl auf die zwei entschiedenen Akkorde zu Beginn gleich ein „singendes“ Thema folgt, das stückweise immer wiederkehrt. Kämpferisches, Trotziges wechselt sich ab mit Friedlichem, Choralartigem.

Mit satten Streicherklängen und schön verwobenen Bläserfarben Klangkultur bewiesen

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Nicholas Milton achtet auf eine Ausgewogenheit von Dramatik und Klang und es fehlt dem Orchester nicht an Leidenschaft und Spannung, die diese Ouvertüre zu einer dramatisch erzählten Geschichte werden lässt. Die Göttinger zeigen ihre (an Brahms’ Sinfonien geübte) Klangkultur mit satten Streicherklängen und schön verwobenen Bläserfarben.

Das leitet passend über zum schwermütigen, düsteren einzigen Violinkonzert von Jean Sibelius. 25 Jahre nach Brahms‘ Ouvertüre entstanden, spricht seine Musik eine zwar kontrollierte, aber auch spröde Sprache. Über dem geheimnisvollen Schleier der Streicher erhebt sich der sonore und warme Klang der Violine von Liv Migdal mit einer glasklaren exponierten Melodie.

Liv Migdal entfaltet ein packendes Drama, das von Einsamkeit und Melancholie erzählt

Die junge Geigerin, die dem Ruhrgebiet entstammt, entfaltet daraufhin ein packendes Drama, das von Einsamkeit und Melancholie erzählt, man assoziiert die weite finnische Landschaft, in die sich Sibelius zum Komponieren zurückzog. Liv Migdal meistert den technisch anspruchsvollen Part präzise und beeindruckend brillant: Teuflisch schnelle Passagen in größtmöglichem Tonumfang, Doppel- und Oktavgriffe stecken ihr keine Grenze. Es gelingt ihr, diese melodisch sperrige, zornige und rhythmisch zerklüftete Musik farbig zu gestalten: Sie lotet jede Steigerung aus bis zum befreienden Höhepunkt und formt den beruhigenden Spannungsabfall bravourös.

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Dieser Sibelius betont deutlich die geigerische Virtuosität und strukturierte rhythmische Finesse, melodienreich oder schwelgerisch wie bei seinen Tondichtungen erlebt man ihn hier nicht. Die Zugabe, die barocke Passacaglia von H.I.F. Biber, spielt Liv Migdal schlichtweg hinreißend: kein Bravourstückchen, sondern ein inniger Vortrag, bei dem der immer gleiche Bass die Violine durch alle harmonischen Höhen und Tiefen geleitet. Großartig.

Ganz und gar romantisch und betont melodisch geht der Abend zu Ende

Ganz und gar romantisch und betont melodisch geht der Abend mit Dvořáks 6. Sinfonie zu Ende. Nicholas Milton lässt sein Orchester strahlen, Streicher und Bläser in harmonischer Balance. Viel Beifall für ein musikalisches Erlebnis.