Mülheim. Andreas Eisenhardt behandelt in Kenia Menschen, die sich keine medizinische Versorgung leisten können. Dort hat er viele harte Fälle gesehen.
Professor Dr. Andreas Eisenhardt ist Arzt in den Praxiskliniken Urologie Rhein/Ruhr in Mülheim. Er hat aber noch einen anderen Job: Seit mehreren Jahren unterstützt er die Cargo Human Care - ein Hilfsprojekt von Lufthansa Cargo und Ärztinnen und Ärzten verschiedener Fachrichtungen.
Über einen Schulfreund, einen Piloten, kam Eisenhardt erstmalig mit dem Cargo Human Care-Projekt in Berührung. Ein Jahr verging dann noch, bis er zum ersten Mal in Nairobi war. Jedes Jahr fliegt er seitdem in Kenias Hauptstadt. Eine Woche bleibt er zusammen mit seinem Kollegen Professor Frank vom Dorp, Chefarzt der Urologie des Helios Klinikum Duisburg dort und behandelt Menschen, die sich eine medizinische Versorgung nicht leisten können.
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An eine Herausforderung erinnert sich Andreas Eisenhardt besonders, denn sie unterstreicht noch einmal, wie unterschiedlich die medizinischen Voraussetzungen in Kenia gegenüber denen in Deutschland sind. Eine Patientin hatte infolge einer Rückenmarksverletzung durch eine Schusswaffe eine Blasenentleerungsstörung entwickelt. Die Blase konnte sich nicht entleeren und der Druck wanderte hoch in die Niere. Eine gefährliche Situation für den Körper. „Hier in Deutschland würde man der Frau die Blase rausnehmen und gucken, dass man den Druck von den Nieren nimmt. Doch in Kenia haben wir uns dagegen entschieden weil die Infrastruktur für die Nachsorge der OP nicht da ist“, erzählt der Mediziner. „Die Patientin ist dann ein Jahr später mit 41 Jahren an einer Lungenentzündung gestorben.“ Eine bittere Erfahrung, aber auch Alltag.
Mülheimer Urologe: Patienten in Deutschland haben andere Ansprüche als in Kenia
Das Thema Dankbarkeit ist etwas, was Eisenhardt immer wieder betont, wenn er über seine Arbeit spricht. Ob seine Patienten in Deutschland nicht die gleiche Dankbarkeit zeigen wie in Kenia? „Man kann nicht alle über einen Kamm scheren. Aber natürlich ist es etwas anderes.“ Der Urologe nennt ein Beispiel: „In Nairobi gibt es eine Bevölkerung von 4,2 bis fünf Millionen, da gibt es, wenn überhaupt, zehn bis 15 Urologen.“ Er stellt den Vergleich zu Mülheim auf: „Hier haben wir eine Bevölkerung von 170. 000 Menschen und sechs urologische Facharztsitze. Da sind die Ansprüche an medizinische Leistungen, auch an den Service und an die Schnelligkeit natürlich anders. Ich will jetzt nicht sagen, dass hier die Leute nicht dankbar sind, aber sie haben natürlich noch einen anderen Bedarf.“
Eisenhardt nimmt viel mit aus seiner Arbeit in Kenia. „Der Bedarf ist enorm. Die Leute sind extrem freundlich, sehr dankbar. Man fährt mit einem guten Gefühl wieder nach Hause.“ So hat er festgestellt, dass sich sein Verständnis gegenüber der westlichen Welt verändert hat: „Natürlich erscheinen einem viele Probleme, mit denen wir uns berechtigterweise in dieser Welt beschäftigen, in einem ganz anderen Licht, wenn man sieht, wie das Leben dort ist.“
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Es gibt auch Fälle, die ihn belasten. „Das hallt dann noch eine Weile nach.“ Er sieht beispielsweise wesentlich mehr schwerwiegende, bislang unbehandelte medizinische Fälle als in Deutschland. Menschen, deren Tumorerkrankungen schon weit fortgeschritten sind – sogar so weit, dass die Erkrankten querschnittsgelähmt sind. „Sie sind so arm, dass da auch keine Diagnostik gemacht wurde, weil sie sich die nicht leisten konnten.“
Mülheimer Arzt: „Das sind Erfahrungen, die man hier nicht macht.“
Der Urologe erzählt aber auch von infrastrukturellen Problemen, die in Nairobi zum Alltag gehören. „Da erfährt man dann auch von Notstromgeneratoren in der Ambulanz, die bereits seit zwei Wochen laufen.“ Damit nicht genug, wirkt sich so ein Fall auch unmittelbar auf ganze Viertel aus. „Da kann es passieren, dass die Einwohner außerhalb der Ambulanz wochenlang keinen Strom haben.“ Auch das: In Deutschland undenkbar.
Außerhalb des kenianischen Behandlungszimmers kommt Andreas Eisenhardt mit den Menschen vor Ort in Kontakt. „Wir haben auch schon Schulen besucht und gemeinsam mit den Kindern dort gesungen. Dann haben sie für uns ein afrikanisches Lied gesungen und wir für sie ein deutsches. Das sind Erfahrungen, die man hier halt nicht macht.“ Die Authentizität der Kenianer imponiert ihm, sagt er.
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- Das Hilfsprojekt wurde 2007 von der Lufthansa gegründet. Auf dem Gelände eines Waisenhauses in Nairobi hat das Projekt eine medizinische Ambulanz errichtet. Dort erhalten Menschen aus der Region für einen Euro im Monat ein medizinisches Komplettpaket inklusive Versorgung, Medikamenten und Diagnostik. Jede Woche fliegen zwei Ärzte der unterschiedlichsten Fachrichtungen dorthin. Etwa 50 Fachärzte unterstützen das Projekt zurzeit.
- Zwölf feste Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat die medizinische Ambulanz mittlerweile. Die Regelsprechstunde machen Pfleger und Krankenschwestern mit akademischer Ausbildung. Es gibt auch Sozialarbeiter, die sich darum kümmern, dass die Versorgung zu Hause weitergeht. Der Verein ist spendenfinanziert und hat kaum Verwaltungskosten. „Das Geld, was man spendet, kommt auch wirklich an“, sagt Andreas Eisenhardt.
- Spendenkonto: Cargo Human Care e.V., IBAN: DE40 5085 2553 0016 0606 00. Über die Homepage des Projekts sind auch Online-Spenden möglich.