Mülheim. Bald beginnt der Prozess gegen einen Mann, der seine Expartnerin in Mülheim vor den gemeinsamen Kindern ermordet haben soll. Müssen sie aussagen?

Der 14. Juni 2022 hat das Leben dreier Geschwister aus Mülheim-Styrum zerstört: Als sie am frühen Abend draußen vor ihrem Zuhause spielten, mussten sie mit ansehen, wie ihr eigener Vater die Mutter mit einem Messer angriff und laut Staatsanwaltschaft derart heftig verletzte, dass die 31-Jährige Stunden später in der Klinik starb. Mehrfach sollen die verzweifelten Kinder den Vater angefleht haben: „Hör auf damit!“ Ab kommender Woche steht der 34-Jährige, der zur Tatzeit getrennt von seiner Partnerin lebte, vor Gericht. Theoretisch könnten seine Töchter und der Sohn in den Zeugenstand gerufen werden.

Die Bilder der Bluttat müssen sich den damals neun und sieben Jahre alten Mädchen – und vielleicht sogar dem dreijährigen Bruder – für immer eingebrannt haben. Nach der erschütternden Tat hatten sich Profis einer Kinder- und Jugendpflegeeinrichtung intensivpsychologisch um sie gekümmert. „Mittlerweile aber“, so Stadtsprecher Volker Wiebels am Mittwoch auf Nachfrage, „leben sie gar nicht mehr in Deutschland.“ Eine Schwester des Opfers habe sie bei sich in Frankreich aufgenommen.

In Frankreich lebende Schwester des Opfers kümmert sich jetzt um die Kinder

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Das hiesige Vormundschaftsgericht habe dies entschieden, „unter Beteiligung der Internationalen Jugendhilfe und des Kommunalen Sozialen Dienstes“. Laut Wiebels wurde genau überprüft, ob die Tante überhaupt in der Lage ist, den traumatisierten Geschwistern ein neues Zuhause zu bieten. „Ein gutes Gefühl“ habe sich eingestellt, und so sei ihr offiziell die Vormundschaft zugesprochen worden.

Mit blankem Entsetzen hatte auch Thomas Weise, Kuratoriumsvorsitzender der Polizeistiftung David und Goliath, damals auf „die abscheuliche Tat“ reagiert: Das Schicksal der drei kleinen Kinder hatte die Stiftung veranlasst, schnell zu helfen. „5000 Euro wurden sofort zur Verfügung gestellt.“ Dank weiterer Spender seien später noch einmal 1150 Euro zusammengekommen, hieß es jetzt. Laut Weise werden die Kinder bei der Familie im Nachbarland „liebevoll betreut“. Auch wenn jeder wisse, „dass diese brutale Tat für immer auf ihren Seelen lasten wird, freuen wir uns doch, dass sie dort ein schönes Zuhause gefunden haben“.

Die älteren Schwestern waren Schülerinnen der Grundschule an der Augustastraße

Dass die zwei Mädchen, die vor der Tat Schülerinnen der Gemeinschaftsgrundschule Styrum an der Augustastraße waren, noch einmal ins Ruhrgebiet zurückkehren müssen, um vor dem Landgericht Duisburg eine Aussage zu machen, ist indes unwahrscheinlich. Christoph Maaßen, Sprecher des Gerichts, hat am Mittwoch bei der Vorsitzenden des Schwurgerichts nachgehorcht und herausgefunden, „dass das Gericht nicht beabsichtigt, die Kinder zu vernehmen“.

Die persönliche Betroffenheit spreche eindeutig dagegen und auch das vergleichsweise junge Alter. „Es gibt aber keine Garantie, dass das Gericht auf die Aussage verzichten kann – man weiß ja nie, wie sich ein Prozess entwickelt.“

An den nahen Schulen war der todbringende Angriff das alles beherrschende Thema

Auch andere junge Styrumer kämen in einem solch ungünstigen Fall als Augenzeugen in Betracht – doch auch sie werden voraussichtlich verschont. An den beiden Schulen unweit des Tatorts war der todbringende Angriff in den darauffolgenden Junitagen das alles beherrschende Thema: Allein mindestens ein Dutzend Grundschüler hatten die Szene live erlebt. Und mussten sich das Erlebte zum Teil in allen Einzelheiten von der Seele reden, berichtete unter anderem Schulleiterin Simone Müller-Dausel.