Mülheim. Krieg, Krise, Karneval: Wie das zusammenpasst, erklärt das Mülheimer Stadtprinzenpaar im Interview. Was es sich für die neue Session vornimmt.
Am 11.11. starten die Karnevalisten, nicht um 11.11 Uhr, sondern um 18.30 Uhr, mit einer närrischen Show im Dümptener Autohaus Extra an der Fritz-Thyssen-Straße 6 in die fünfte Jahreszeit. Jubel, Trubel, Heiterkeit: Geht das überhaupt in Zeiten von Corona, Inflation und Ukraine-Krieg? Vor dem Start in die Session 2022/2023 trafen sich Stadtprinz Kevin Bongartz (34) und Stadtprinzessin Tamara Bongartz (31) in einem Mülheimer Restaurant, noch ganz zivil, zum Gespräch mit dieser Zeitung.
Beide Tollitäten kommen aus den Reihen der Roten Funken. Abseits des karnevalistischen Rampenlichtes, wo man sich im Ernst des Lebens beruflich nicht nur seine Kamelle, sondern auch seine Lorbeeren und seine Brötchen verdienen muss, arbeitet der Prinz bei der Müllabfuhr der MEG und die Prinzessin als Altenpflegerin für einen ambulanten Pflegedienst.
Einmal Prinz zu sein, davon habe ich immer schon geträumt. So heißt es in einem Karnevalsschlager. Wie fühlt es sich an, wenn Sie nach der coronabedingt ausgefallenen Session 2021/2022 jetzt zum zweiten Mal als närrisches Regentenpaar ins närrische Rampenlicht treten?
Kevin: Ganz ehrlich: Nach der Absage der letzten Session hatten wir erst mal keine Lust mehr. Aber dann haben wir, auf Einladung des Oberbürgermeisters Marc Buchholz, zusammen mit dem Kinderprinzenpaar im Sommer einen Freizeitpark in Kevelaer besucht. Das war ein tolles Gemeinschaftserlebnis.
Tamara: Und danach haben wir uns entschlossen, zwei neue Lieder für unsere zweite Session als Prinzenpaar zu schreiben und dann haben wir wieder Feuer gefangen. Und jetzt kommt bei uns auch schon wieder Lampenfieber auf.
Was bekommt das närrische Publikum von Ihnen zu hören?
Kevin: Unsere neuen Sessionsschlager tragen die Titel: „Was für eine geile Session“ und: „Lange nicht genug. Was für ein guter Tag!“
Was werden Sie denken, wenn Sie das als Tollitäten am 11.11. auf der Bühne singen?
Tamara: Wir haben da zwiespältige Gefühle. Niemand kann im Moment die Gedanken an die Corona-Pandemie, den Krieg in der Ukraine und die Inflation abschalten. Aber vielleicht kommen wir ja gerade jetzt mit dem Karneval, der die Gemeinschaft, die Toleranz, die Freiheit und die Lebensfreude feiert, zur rechten Zeit, um mit unseren Auftritten und Festen unseren grauen und trüben Alltag wenigstens für einige Stunden wieder bunt und fröhlich zu machen.
Kevin: Ohne Karneval ginge es den Menschen in unserer Gesellschaft sicher noch schlechter. Auch wenn wir jetzt nicht nur in der Ukraine Krieg und Krisen erleben, haben die einfachen Menschen, die keine Schuld an der aktuellen Weltlage haben, es sich gerade jetzt verdient, richtig Karneval zu feiern und damit etwas Freude, Gemeinschaft und Hoffnung zu erleben.
Was haben Sie sich als närrische Regenten vorgenommen?
Kevin: Wir wollen bei unseren Auftritten wir selbst sein und den Karneval fröhlich und authentisch mit möglichst vielen Menschen feiern. Damit wollen wir uns bei den Karnevalsgesellschaften, ihren Sponsoren und Oma Alex, Opa Udo und Tante Jasmin bedanken, die uns auf der Bühne, hinter den Kulissen und zu Hause mit unseren Töchtern Shalia (5) und Lavinia (8) den Rücken freihalten und uns so eine zweite Regentschaft ermöglichen.
Was gehört zur Agenda Ihrer Regentschaft?
Tamara: Unser am 11.11.2021 verkündetes Regierungsprogramm bleibt in Kraft: Keine Erhöhung der Getränkepreise, keine Knöllchen für das Prinzenmobil und gebührenfreie Entsorgung von elf Tonnen Müll durch die MEG für alle aktiven Karnevalisten. Und: Männer verzichten auf das letzte Bier und Frauen auf das letzte Wort. Das sind unsere Beiträge zur Dämpfung der Inflation und zum Erhalt des sozialen Friedens.
Und wenn Sie als närrische Regenten reale Macht hätten, was würden Sie in unserer oft närrischen, aber nicht immer heiteren Welt gerne durchsetzen?
Kevin und Tamara: Alle Kriege beenden und alle Diktatoren entmachten. Sofort!
Wie politisch ist der Karneval?
Kevin: Der Karneval feiert die Freiheit und die Toleranz. Er lädt Menschen aller Generationen ein, egal, wer sie sind und woher sie kommen. Er schließt niemanden aus und macht keine sozialen Unterschiede.
Tamara: Besonders wichtig ist für uns, dass wir als Prinzenpaar auch behinderte, alte und pflegebedürftige Menschen besuchen, um ihnen Aufmerksamkeit, Zuwendung, Gemeinschaft und Freude zu bringen. Und der Karneval ist mit seinen Tanzgarden und Musikzügen immer auch ein Stück Sozial- und Jugendarbeit.