Mülheim. Die Trinkerszene auf der Mülheimer Schloßstraße nervt, gehört aber zur Großstadt: So schätzen Polizei, Ordnungsamt und Streetworker die Lage ein.
Der Treffpunkt von alkoholkranken Menschen, die auf der unteren Schloßstraße gemeinsam trinken, hat im Sommer verstärkt für Beschwerden gesorgt. Der Eindruck entstand, dass sich immer mehr Personen rund um den alteingesessenen Kiosk versammeln, dass es zunehmend laut und ruppig zugeht. In einer Stellungnahme für den Ausschuss für Bürgerangelegenheiten, Sicherheit und Ordnung (BSO) tritt die Stadt Mülheim dem entgegen. Die Fraktionen von CDU und Bündnis 90/Die Grünen hatten dezidiert nachgefragt.
Eine „Alkohol-Konsumszene“ von etwa fünf bis zehn Personen sei Polizei und Ordnungsamt seit Jahren bekannt, heißt es in der Stellungnahme. Sie habe sich vom Hauptbahnhof, wo es zuvor auch schon Klagen gab, zur Schloßstraße, Ecke Friedrich-Ebert-Straße verlagert, wo man zugleich Menschen aus der Drogen- und Obdachlosenszene antrifft. Die Gruppe sei nicht gleichbleibend groß.
Beschwerden von Mülheimer Passanten über Belästigungen „liegen nicht vor“
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Vor Ort gibt es häufiger Polizeieinsätze, doch die Polizei kann nicht genau sagen, wie häufig Einsätze der betreffenden Gruppe gelten. „Beschwerden von Passanten zu Belästigungen oder Pöbeleien durch die Alkoholkonsum-Szene liegen Ordnungsamt und Polizei nicht vor“, heißt es wörtlich im Bericht der Verwaltung.
Auch Lukas Brockmann, der als Streetworker der Diakonie in der Innenstadt tätig ist, berichtet, dass es immer wieder Einsätze des Kommunalen Ordnungsdienstes (KOD) sowie der Polizei gebe. Gründe seien beispielsweise laute Musik, die aus mitgebrachten Bluetooth-Boxen schallt, „teils exzessiver Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit, hinterlassener Unrat oder lautstarke Streitigkeiten – in der Regel untereinander“. Dies sei kein Dauerzustand, komme aber häufiger vor. Dadurch „fühlten und fühlen sich Anwohner bzw. Passanten mit Sicherheit auch belästigt“, so der Streetworker.
Zwei Anzeigen wegen Körperverletzung in diesem Jahr
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Die Polizei hat seit Januar 2022 zwei Fälle erfasst, die mit dem Trinkertreff in Verbindung stehen, heißt es im Bericht für den BSO-Ausschuss. Beide Male seien Anzeigen wegen Körperverletzung gestellt und Platzverweise ausgesprochen worden. Die Behörden hätten bislang keine Hinweise darauf, dass rund um den Schloßstraßen-Kiosk neben Alkohol auch andere Drogen konsumiert werden.
Den KOD erreichen aber durchaus Beschwerden – „regelmäßig“, wie es heißt, melden sich Geschäftsleute, vor allem solche, deren Läden in unmittelbarer Nähe liegen. Sie haben die Sorge, dass ihre Kundschaft abgeschreckt werden könnte und kritisieren, dass die Treppe zur Tiefgarage oft als Toilette benutzt wird.
„Trinkerszene“ gehört zur Gesellschaft – Großteil der Personen verhält sich ruhig
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Das Ganze sei nicht schön, so lässt sich die Sichtweise der Stadt Mülheim zusammenfassen, doch eine „Trinkerszene“ gebe es in jeder größeren Stadt, sie sei Teil der Gesellschaft. Da sich der Großteil dieser Menschen jedoch „sehr ruhig“ verhalte, „wird das Risiko einer Eskalation als gering eingeschätzt“.
Möglichkeiten, vor Ort konkret einzugreifen, sehen die Ordnungsbehörden kaum. Alkoholkonsum sei zwar in der Nähe von Kiosken verboten, nicht aber vor Lebensmittelgeschäften oder Discountern, wo die Getränke überdies preiswerter sind. So liegt gleich gegenüber der Haltestelle Stadtmitte ein Netto-Markt, in dem sich viele versorgen. Polizei und Ordnungsamt seien in diesem Bereich regelmäßig unterwegs, um für Anwohner und Geschäftsleute deutlich Präsenz zu zeigen. Mitarbeiter des KOD führten Gespräche, forderten zum Aufräumen auf. „In seltenen Fällen“ würden auch Platzverweise verteilt, etwa bei aggressivem Auftreten.
Angebote der Diakonie: Alternativen zur Straße
Andrea Krause, Leiterin der Ambulanten Gefährdetenhilfe der Diakonie, verweist noch einmal auf das Gesamtangebot, das sie und ihr Team bereithalten, um „Menschen Alternativen zur Straße anzubieten“. Dazu gehören etwa: die Teestube an der Auerstraße, das Ambulant Betreute Wohnen oder die Notschlafstellen, alles aber wohl kein wirklicher Ersatz zur Trink-Schicksalsgemeinschaft im Freien.
Streetworker der Diakonie, die mit den Leuten in Kontakt sind, hatten die Prognose abgegeben, dass sich der Treffpunkt in der kalten Jahreszeit nahezu auflösen wird. Ob Herbst und Winter jedoch wirklich mehr Ruhe auf die Schloßstraße bringen, sei „angesichts der momentan eher sommerlichen Temperaturen schwer einzuschätzen“, meint Andrea Krause.
Sie und ihr Team betrachten die Sitzung des BSO-Ausschusses, an der sie auch teilgenommen haben, als Auftakt, um mit den Kooperationspartnern von Polizei und Ordnungsamt sowie mit der Politik im Gespräch zu bleiben. „Selbstverständlich werden wir die untere Schloßstraße bei Streetwork-Runden weiterhin regelmäßig mit einbeziehen.“