Mülheim. Lieferschwierigkeiten und stockende Anmeldeprozesse: Wer in Mülheim eine Solaranlage bauen will, braucht vor allem eines: Geduld.

Wer sein Haus mit Solarmodulen ausstatten möchte, muss jede Menge Geduld aufbringen. Denn die Nachfrage ist riesig und aus verschiedenen Gründen kaum zu bedienen. Das musste auch die Bürgerenergiegenossenschaft Ruhr-West (BEG-RW) auf ihrer ersten „Solarparty“ feststellen.

„Der Ansturm ist längst da und kaum aufzuhalten. Die Kapazitäten dafür stehen einfach nicht zur Verfügung“, sagt Armin Röpell aus dem Vorstand der Genossenschaft. Seit März seien 150 Anfragen bei der BEG-RW eingegangen. „Manchmal können wir gar nicht alle Anfragen beantworten“, gesteht der Vorstandsvorsitzende Peter Loef.

Kundinnen und Kunden wollen ein Rundum-sorglos-Paket

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Speziell das Ruhrgebiet habe, so Röpell, lange von den großen Versorgern gelebt. „Deswegen sind hier auch die Unternehmen dafür gar nicht ausreichend eingerichtet“, sagt der Experte. Mit den gestiegenen Erwartungen lässt sich mancherorts nur schwer mithalten. Längst wollen die Kundinnen und Kunden nicht mehr nur die Solaranlage, sondern ein Rundum-sorglos-Paket für ihr Haus. „Alle möchten gerne autark sein“, weiß Loef.

Das führe in letzter Konsequenz dazu, dass bei manchen Projekten noch drei oder vier verschiedene Handwerksfirmen benötigt würden. „Es gibt kaum Fachhandwerker, die alles in einer Hand machen können“, bemängelt Loef. Hier nimmt er auch die Ausbildung in die Pflicht. „Die ist in Deutschland aber streng geregelt. Wir sind mit Ausbildern oder der IHK in Kontakt aber die zucken auch nur mit den Schultern“, sagt der Vorstandsvorsitzende.

Lieferschwierigkeiten sorgen für Wartezeiten von bis zu einem Dreivierteljahr

Auch Netzbetreiber wie Westnetz können die horrende Nachfrage offenbar nur schwer händeln. Die Genehmigungen sind holprig, manchmal wartet man bis zu drei Monate auf eine Rückmeldung“, berichtet Loef.

Dazu kommen die Lieferschwierigkeiten. „Das fängt bei Kunststoffteilen an, geht über Schrauben und Endkappen aber auch bis hin zu kompletten Systemen“, zählt Elektriker Ingo Lehnig auf. Er muss immer früher einkaufen. „Mancher Hersteller liefert aber eben erst Mitte nächsten Jahres“, betont er. Den Kundinnen und Kunden muss er also jede Menge Geduld abverlangen.

Warum ein Dümptener Ehepaar seit einem halben Jahr auf ein neues Dach wartet

Eine Alternative gibt es aber eigentlich nicht. „Mein Schreibtisch ist zu klein und der Tag hat nur 48 Stunden“, scherzt Lehnig. Mittlerweile hätten die meisten Menschen aber Verständnis. Lieferschwierigkeiten würden selten dazu führen, dass Kundinnen oder Kunden von ihrem Vorhaben Abstand nehmen. „Die meisten sind aufgewacht“, sagt Peter Loef.

Die meisten Kunden haben Verständnis für lange Wartezeiten, bis eine Photovoltaikanlage auf das Dach kommen kann, bestätigt Ingo Lehnig (m.) von der Mülheimer Elektrofirma Lehnig. Merle Hribar und Florian Brambosch lassen sich gerne beraten.
Die meisten Kunden haben Verständnis für lange Wartezeiten, bis eine Photovoltaikanlage auf das Dach kommen kann, bestätigt Ingo Lehnig (m.) von der Mülheimer Elektrofirma Lehnig. Merle Hribar und Florian Brambosch lassen sich gerne beraten. © FUNKE Foto Services | Franz Naskrent

Auch Gerold Becker und seine Frau mussten schon erkennen, wie lange es aktuell dauern kann. Beim Vorhaben, autark zu werden, lässt das Dümptener Ehepaar zunächst sein Dach dämmen. Dabei warten die Beckers aber seit einem halben Jahr darauf, dass ihr Dach neu gedeckt wird. „Vielleicht müssen wir sogar Abstriche bei den Ziegeln machen“, sagt Becker und ergänzt fast resigniert: „Es geht halt alles nicht mehr so einfach wie früher.“

Immer mehr Viertel tun sich in Sachen Klimaschutz zusammen

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Bis tatsächlich eine PV-Anlage auf dem Dümptener Dach steht, dürfte also noch eine Menge Zeit ins Land gehen. „Wenn man schon so eine Bürgergenossenschaft vor der Tür hat, sollte man das auch nutzen“, findet Becker. Allein im letzten halben Jahr hat die BEG-RW ein Dutzend neue Mitglieder gewonnen. „Sonst waren es maximal zehn in einem ganzen Jahr“, sagt der Vorstandsvorsitzende.

80 Prozent von ihnen sind Privatleute. Immer mehr tun sich aktuell in Nachbarschaften und Vierteln zusammen. Zurzeit hat die Genossenschaft zwei konkrete Angebote vorliegen – unter anderem aus der Mülheimer Saarnbergsiedlung. Eine Entwicklung, die Loef ausdrücklich begrüßt.