Mülheim. Im Zuge der Energiekrise drängt die Mülheimer SPD-Fraktion auf zügigere Zulassungen von Mini-Solaranlagen. Gute Idee oder nur Marketingeffekt?
Die spürbare Energiekrise hat nicht nur das Denken in der Mülheimer Bürgerschaft verändert, sondern offenbar auch im lokalpolitischen Raum. Die SPD-Fraktion drängt mit einer augenscheinlich pragmatischen Idee in den kommenden Umweltausschuss: Balkonkraftwerke in möglichst vielen Mietwohnungen. Doch was kann der Vorschlag leisten – und was nicht?
Eines ist zumindest klar: „Immer mehr Menschen leiden unter den finanziellen Auswirkungen der Energie- und Klimakrise“, konstatiert die SPD in ihrem Antrag. Möglichst viel erneuerbare Energie müsste also erzeugt werden, um die „Energieabhängigkeit von auswärtigen Energieressourcen zu reduzieren“, sagen die Genossen mit Blick wohl auch auf die Folgen des Ukrainekrieges.
Balkonkraftwerke sollen Beitrag leisten, fossile Energieerzeugung zu senken
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Mini-Photovoltaikanlagen zum Beispiel auf Balkonen wären aus ihrer Sicht deshalb eine „sinnvolle, weil kurzfristig realisierbare Option“, um die Energiekosten gerade bei Mietern zu reduzieren, die ansonsten keine Möglichkeit hätten, eine Solarstrom-Anlage aufzustellen. In Summe könne das einen Beitrag zur Reduzierung fossiler Energieträger für die Stromerzeugung leisten – so die SPD-Fraktion.
Deshalb sollen Wohnungsgesellschaften mit dem Netzbetreiber Westnetz Regelungen erarbeiten, um solche Balkon-Anlagen rechtlich und technisch zu ermöglichen, fordern sie im Antrag. Sinnvoll?
Nach Ansicht der Mülheimer Bürgerenergiegenossenschaft (BEGRW) hat die Fraktion damit durchaus den sprichwörtlichen Finger an der Phase, denn aus Sicht der BEGRW behindern die Netzbetreiber gerade mit unnötigen Formalia und Bürokratie den Ausbau solcher „steckerfertigen PV-Anlagen“ im Kleinen.
Mülheimer Bürgerenergiegenossenschaft kritisiert bürokratische Hürden
Bis 600 Watt – Standard bei Balkonkraftwerken – sind diese meldepflichtig sowohl bei der Bundesnetzagentur als auch beim Netzbetreiber. Zwar sieht Westnetz als zuständiger Netzbetreiber die Hürden dafür als nur gering an: Angegeben werden müsse lediglich der Standort, Leistung und aktuelle Stromzählernummer. Aber es sei eben auch eine spezielle Energiesteckdose und ein Zweirichtungszähler erforderlich, um die nicht verbrauchten, eingespeisten Mengen zu erfassen.
Doch: „Warum muss man solche vergleichsweise geringen Stromeinspeisungen überhaupt erfassen?“, hinterfragt der Mülheimer BEGRW-Vorstandsvorsitzende Peter Loef den bürokratischen Vorgang grundsätzlich. Denn 600 Watt decke – bei Sonnenschein – allenfalls die Grundlast eines Haushalts ab, also den laufenden Kühlschrank und andere Kleingeräte. Im Jahr mache das vielleicht 100 Euro Ersparnis beim Eigenverbrauch aus, schätzt er. Was davon dann noch ins Netz gehe, sei äußerst gering.
Machen Kleinanlagen für 900 Euro und mehr Sinn?
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Als die BEGRW vor einigen Jahren solche Module bewarb, waren sie noch als Marketing-Idee gedacht. Und doch sind die Geräte augenblicklich stark gefragt. „Wir haben die Module mit Wechselrichter weiterhin auf Lager“, sagt Loef. Kostenpunkt derzeit noch etwa 900 Euro, amortisiert nach aktuellem Strompreis wohl in neun Jahren. Eine sinnvolle Anschaffung?
Ja, für das ökologische Bewusstsein und als Zwischenschritt für größere PV-Anlagen, meint Loef. Denn damit wachse der politische Druck auf die Netzbetreiber.