Mülheim. . Ein Drittel des Stromhungers der Stadt könnte solar gestillt werden. Beispiel Sonnenblume zeigt: vermeintlich ungeeignete Stellen funktionieren.
Weitaus mehr Mülheimer Häuser könnten effizient Sonnenenergie ernten und einspeisen, wenn die Stadt im höheren Maße als bisher Dächer mit Ost-West-Ausrichtung einbeziehen würde, davon geht die Mülheimer Bürgerenergiegenossenschaft Ruhr-West aus. Für den traditionellen Speldorfer Bioladen Sonnenblume hat die BEG RW jetzt genau so eine Anlage in Betrieb genommen, die die Stadt im Solarkataster als „ungeeignet“ eingestuft hat. 30 Prozent seines Stromverbrauchs hofft Inhaber Jürgen Döhring damit einzusparen.
Garagendach in Ost-West-Ausrichtung
Am frühen Februarnachmittag ist es zwar sonnig, aber das Garagendach im Innenhof der Hansastraße 16 liegt schon zum Teil im Schatten. Dennoch: Im Inneren der Garage zählt ein kleiner elektronischer Kasten, den Hauseigentümer und BEG RW-Mitglied Werner Helmich mit Fingerklopfen wachruft, die Kilowattstunden. 14,09 Kwh sind es an diesem 14. Februar, seit Betrieb am 31. Januar immerhin 90.
30 Solarmodule hat die Genossenschaft mit Partnern auf dem Garagendach in Ost-West-Lage montiert. 16 Kilowatt Peak liefert die Anlage als Nennleistung, mit anderen Worten unter Standardtestbedingungen. Je nach Wetterlage kann das auch mal weniger sein. Der Strom wird direkt verbraucht, einen Speicher gibt es nicht, der Strom, den die Sonnenblume nicht verbraucht, wird ins Netz eingespeist und vergütet. Doch das ist hier nicht die Regel, denn Sonnenblumen-Inhaber Jürgen Döhring hat reichlich Verwendung dafür, „ich kann damit die zehn Kühlgeräte und die Beleuchtung in meinem Geschäft betreiben. Das ist für uns als Bioladen ein guter Schritt nach vorne, den ökologischen Fußabdruck weiter zu verbessern“. 13.000 Kilowattstunden soll das im Jahr sparen. Und das sind auch – Döhring hat’s gerechnet – 7,8 Tonnen an CO2 gegenüber Energie aus fossilen Brennstoffen. Für den restlichen Saft nutzt die Sonnenblume übrigens Windstrom.
Einspeisevergütung sinkt
Ohne die ehrenamtliche Beratung der Mülheimer Genossen hätte der Bioladen und der Hauseigentümer Helmich die Solaranlage wohl nicht erweitert, denn laut Solarkataster der Stadt ist die Dachfläche als ‘ungeeignet’ eingestuft. Das sei kein Einzelfall, glaubt Volker Thiele, Vorstand der Mülheimer Bürgerenergiegenossenschaft Ruhr-West. Das Kataster stufe hauptsächlich Südlagen als sehr gut ein, dabei ginge aber viel Potenzial für die Stadt verloren, die sich eben auch rechnen würden – „und wir rechnen als Genossenschaft recht konservativ“. Wenigstens ein Drittel des gesamten Stromverbrauchs in der Stadt könnte durch Solarenergie geliefert werden, ist Thiele überzeugt.
Eine weitere Bremse für das Wachstum erneuerbarer Energien auf dem Strommarkt ist auch die jährlich sinkende Einspeisevergütung. Es dauert nun länger, bis sich Anlagen rechnen, oft aber habe man – dank sinkender Preise für Solarpanels – die Investition durch Eigenversorgung und Einspeisung nach zwölf Jahren raus. „Wir als Genossenschaft wollen die Energiewende in der Stadt nach vorne bringen, es muss etwas passieren“, werben Thiele und Helmich, übrigens ein ehemaliger Mülheimer Grüner, der vor Jahren austrat – „im Herzen bin ich aber grün geblieben“, kommentiert er.
>>Die Genossenschaft BEG-RW wurde im Januar 2016 gegründet. Sie hat inzwischen mehrere Betätigungsfelder zu denen auch die Förderung dezentraler und unabhängiger Energieversorgung aus erneuerbaren Quellen zählt.
Die BEG berät und erstellt dabei ein Konzept für Photovoltaikanlagen, die auch gemietet werden können. www.begrw.de