Mülheim. Für Einzelhändler sind explodierende Stromrechnungen eine große Sorge. Viele limitieren deshalb ihre Öffnungszeiten. Wie sich das auswirkt.

Der Hagebaumarkt macht es, Möbel Bernskötter auch, Bäcker Kahrger erwägt es und Buchhändler Fehst schließt es noch aus: die Öffnungszeiten verkürzen, um Stromkosten zu sparen. Explodierende Stromrechnungen und horrende Nachzahlungen zwingen viele Betriebe zu diesem Schritt. Was für viele Einzelhändler mittlerweile fast schon alternativlos wurde oder absehbar werden wird, ist dennoch keine einfache Entscheidung.

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„Der Schritt, unsere Öffnungszeiten zu verkürzen, ist uns nicht leichtgefallen. Wir wissen, dass es viele unserer Kunden schätzen, nach der Arbeit noch schnell bei uns vorbeizuschauen“, sagt Stefan Hartmann, Marktleiter des Hagebaumarkt Harbecke. Sowohl in der Mülheimer als auch in der Ratinger Filiale schließen die Baumarkttüren ab kommender Woche werktags nun eine Stunde früher, um 19 statt um 20 Uhr. „Die momentane Situation stellt uns alle vor große Herausforderungen. Für uns war es wichtig, Lösungen zu finden, die einerseits unseren Energieverbrauch senken, aber andererseits unseren Kunden weitestgehend das Einkaufserlebnis ermöglichen, das sie von uns gewohnt sind“, erklärt Hartmann.

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Einkaufen in Mülheim: Bernskötter hofft auf Kostendeckel

So wurden neben den angepassten Öffnungszeiten bereits verschiedene Energiesparmaßnahmen im Markt umgesetzt. Die Raumtemperatur innerhalb bestimmter Zonen der Läden sei abgesenkt worden, während temperaturempfindliche Ware wie Zimmerpflanzen, Tierfutter und Spachtelmasse in höher beheizten Zonen gebündelt oder durch Abdeckung geschützt aufbewahrt werde. Zudem sei die Beleuchtung mittlerweile überall dort reduziert oder sogar ausgeschaltet, wo es ohne Gefahr möglich ist.

„Beleuchtung ist bei uns ein Riesen-Faktor“, sagt Franz-Peter Bernskötter vom gleichnamigen Möbelhaus in Heißen. Seit Anfang des Monats schließt das Einrichtungshaus eine halbe Stunde früher, schon um 19 Uhr. 30 Minuten, bringt das was? „Dadurch sparen wir fünf Prozent unserer täglichen Energiekosten ein“, erklärt der Mit-Inhaber. Bei 30.000 Quadratmetern Verkaufsfläche, großzügiger Beleuchtung und etlichen Lampen komme einiges zusammen. „Unsere Stromkosten sind sehr hoch“, so Bernskötter. „Kommt kein Kostendeckel und es bleibt bei der aktuellen Entwicklung, zahlen wir bald das Vierfache.“

Bei Möbel Bernskötter schließen die Türen seit Anfang des Monats eine halbe Stunde früher.
Bei Möbel Bernskötter schließen die Türen seit Anfang des Monats eine halbe Stunde früher. © FUNKE Foto Services | Oliver MuellerOliver Müller

Die Verträge für Strom und Gas liefen noch bis Ende des Jahres, „danach müssen wir mal sehen“. Als Zwischenlösung habe der Unternehmer über eine Moerser Firma am sogenannten Spotmarkt, einem Handelsplatz für kurzfristig lieferbaren Strom, eingekauft. „Damit würden wir nach jetzigem Stand weniger zahlen müssen, je nach Tageskurs.“ Überlegungen, die Beleuchtung im Möbelhaus teilweise zu reduzieren, habe es zwar gegeben, aber praktikabel sei das aus Bernskötters Sicht nur in der allergrößten Not.

Mülheimer Bäckermeister wird Öffnungszeiten verkürzen müssen

In Dümpten ringt Bäckermeister Hans-Ulrich Kahrger noch mit sich und den Öffnungszeiten seines Traditionslokals an der Mellinghofer Straße. „Was wir jetzt an Kosten draufzahlen, kann das Geschäft gar nicht mehr auffangen“, sagt der 80-Jährige. Zuletzt seien viele Großkunden abgesprungen – ironischerweise um Kosten zu sparen – , und beim Strom „zahlen wir jeden Monat 1000 Euro mehr“. Besonders schwierig: „Wir können nicht einfach mal ein Gerät abschalten oder weniger nutzen. Wir sind komplett auf Strom angewiesen“, sagt Kahrger. „Seit 52 Jahren gibt es unseren Betrieb, aber erlebt habe ich sowas noch nie.“

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Vielleicht, erwägt der Bäckermeister mittlerweile, wolle er am ohnehin schon kurzen Montag ganz geschlossen halten. „Wenn es ganz schlecht läuft, halbieren wir dann noch zusätzlich einen langen Tag, mal sehen.“ Neulich jedenfalls, berichtet er, sei das Licht im Verkaufsraum ausgeblieben, „wollten wir mal ausprobieren“. Allerdings entpuppte sich das schnell als ungünstig. „Die Leute sind am Laden vorbeigelaufen, dachten, wir hätten zu!“

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Gerade aus diesem Grund will Michael Fehst die Öffnungszeiten in seiner Buchhandlung „Löhberg Nr. 4“ nicht weiter einschränken: „Das wäre einfach nicht produktiv.“ Im Vergleich zu großen Konkurrenten zögen seine Öffnungszeiten ohnehin den Kürzeren und „wir leben davon, dass Leute im Vorbeigehen bei uns reinschauen“. Darauf könne und wolle der Buchhändler nicht verzichten. „Da mache ich lieber mal eine Lampe mehr aus.“

Michael Fehst will in seiner Buchhandlung „Löhberg Nr. 4“ nicht die Öffnungszeiten einschränken.
Michael Fehst will in seiner Buchhandlung „Löhberg Nr. 4“ nicht die Öffnungszeiten einschränken. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke